Unerwartete Krisen
Bayerns Kultusminister Piazolo: "Nehmen alle Lehrer, die da sind"

Problem sind nicht Planungen, sondern unerwartete Krisen wie Corona und Ukraine

08.09.2022 | Stand 21.09.2023, 3:43 Uhr

Nächste Woche startet in Bayern das neue Schuljahr. Vor allem an den Grund- und Mittelschulen fehlen aber noch "ein paar hundert Lehrer", wie Kultusminister Michael Piazolo sagte. −Foto: Kusch, dpa

Was die Lehrerinnen und Lehrer angeht, herrscht auch in Bayern Fachkräftemangel. Das sagte Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler) bereits im Juli zum Schuljahresende im Interview mit der Mediengruppe Bayern. Dabei seien die Gymnasien weniger das Problem, sondern eher die Grund- Und Mittelschulen.



Über die Sommerferien ist die Diskussion darüber nie verebbt, im Raum stand schließlich sogar der Vorwurf, das Ministerium würde nicht sorgfältig planen – schließlich wisse man doch sechs Jahre im Voraus, wie viele Kinder einzuschulen und folglich wie viele Lehrkräfte nötig wären.

Am Donnerstag hat Piazolo anlässlich des Schulstarts nächste Woche die aktuellen Zahlen bekannt gegeben – und sich auch gegen die Kritik gewehrt. Vor allem den Vorwurf, es sei nicht ordentlich geplant worden, wollte er nicht stehen lassen. So würden am 13. September für 1,68 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern der Unterricht wieder starten, rund 130.000 davon als Erstklässler. Eben nicht mit riesigem Vorlauf planbar gewesen seien die rund 30.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler, die entweder in die Regel- oder aber in Brückenklassen beschult werden müssten. Nicht planbar seien in den zurückliegenden beiden Jahren die zusätzlichen Aufgaben im Rahmen von Corona gewesen, wenn es nämlich gelte, die Folgen zu bekämpfen.

"Es fehlen ein paar hundert Lehrer"

Und auch sonst gelte auf dem Arbeitsmarkt für Lehrkräfte, dass es sich derzeit um einen Bewerbermarkt handle – im Wesentlichen könnten also die Bewerber die Bedingungen diktieren. Selbst Angebote zur Verbeamtung würden teilweise nicht angenommen, weil der Standort nicht passe oder die angehende Lehrkraft sich in einem Jahr noch bessere Bedingungen erhofft. "Wir brauchen die richtigen Leute am richtigen Ort – das ist schwerer geworden", sagte Piazolo. Vielfältig seien zudem die Teilzeitwünsche, die für die Bewerber angenehm, für die Organisation des Schulbetriebs problematisch seien.

"Wir nehmen alle, die da sind", so Piazolo, lediglich einigen Bewerbern für die Gymnasien habe man kein Angebot gemacht, aber praktisch allen Bewerbern für die Grund- und Mittelschulen, so Piazolo. Wenn man nun noch bedenke, dass es in den letzten Jahren zusätzliche Lehrerstellen gegeben habe, dann könne man reüssieren, Bayern habe mit rund 100.000 "so viele Lehrer wie noch nie – aber immer noch zu wenig", so Piazolo. Und trotzdem: "Es fehlen ein paar hundert Lehrer, vor allem an den Grund- und Mittelschulen."

Problem wird auf Jahre bestehen bleiben

Piazolo geht zudem davon aus, dass das Problem auf Jahre bestehen bleiben wird. So sei schon jetzt absehbar, dass es "für Grund-, Mittel- und Förderschulen zu wenig Lehramtsstudenten" gebe – während der NC abgeschafft und die Studienplätze durchaus vorhanden wären.

Was Corona und das anstehende neue Schuljahr angeht, so gebe es das klare Bekenntnis zum Präsenzunterricht, wer Corona habe oder Symptome, müsse zu Hause bleiben. Die Maske bleibe eine Empfehlung, sei aber keine Pflicht. Zum Schulstart werde es für die ersten zwei Wochen eine Option für sechs Selbsttests für zu Hause geben. Strenger will es Piazolo nicht – denn es müsse einen "Gleichklang zwischen Schule und übriger Gesellschaft" geben. "Es kann nicht sein, dass in der Schule ein strenges Regiment herrscht – und außerhalb frohes Treiben", sagt er mit Blick auf das Mitte September startende, weitgehend regelbefreite Oktoberfest.

Eine Feststellung war dem Minister dann aber doch noch wichtig: "Wir haben die größten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg – Corona, Ukraine, Energie und Inflation. Und die meisten denken: Es muss alles so weiterlaufen wie bisher." Für diese Einstellung habe er relativ wenig Verständnis, machte Piazolo klar.

Unterricht im Landkreis Deggendorf gekürzt

Gegenwind kam von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW), wo man Piazolo nichts weniger als eine "Bankrotterklärung" attestierte. Es werde den Schulen offiziell erlaubt, außerhalb der Kernfächer Streichungen vorzunehmen. "So bereits geschehen zum Beispiel im Landkreis Deggendorf in Grund- und Mittelschulen. Dort wurden der Sportunterricht und die Förderstunden gekürzt sowie der wichtige Vorkurs Deutsch", der für Erstklässler mit Migrationshintergrund gedacht ist, "komplett gestrichen", so die GEW. "Zudem müssen an weiteren Orten in Niederbayern auch bei der Mobilen Reserve und beim Angebot Deutsch Plus Abstriche gemacht werden."

Der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Jürgen Böhm, hingegen ließ wissen: "Die Unterrichtsversorgung an den staatlichen Realschulen im Freistaat ist für das beginnende Schuljahr sichergestellt und die Kolleginnen und Kollegen, darunter 547 neu eingestellte Lehrkräfte, werden motiviert ins neue Schuljahr starten."