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Bayerischer Elder Statesman: Zum 80. Geburtstag von Edmund Stoiber

28.09.2021 | Stand 21.09.2023, 22:11 Uhr

Bayerns Elder Statesman: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) feiert am 28. September seinen 80. Geburtstag. −Foto: Peter Kneffel/dpa

Selbst die schlechten Ergebnisse für die Union in der Bundestagswahl können Edmund Stoibers Optimismus nichts anhaben.

"Klar, man leidet und lebt mit der Partei, für die man auch ein ganzes Leben lang gekämpft hat und die Teil meines Lebens war und ist", sagt der CSU-Ehrenvorsitzende der Deutschen Presse-Agentur in München. Trotzdem verhagele die Bundestagswahl ihm nicht die Stimmung, "auch wenn ich mir natürlich mehr wünschen würde. Man hat ja nur ein Leben."

Wer wie er gesund sei, seit 52 Jahren glücklich verheiratet sei, drei Kinder und acht Enkel habe, der könne nur tiefe Dankbarkeit spüren.
Keine Frage - wenn Stoiber an diesem Dienstag (28.9.) seinen 80. Geburtstag feiert, könnten CDU und CSU ihm ein wichtiges Geschenk machen, in dem sie die Union nach dem knappen Wahlausgang und trotz der schweren Verluste in der Bundesregierung halten.



Was sich Stoiber für die anstehenden Sondierungsrunden und die dann folgenden Koalitionsverhandlungen von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet wünscht, zeigt, wie sehr sich die Ansprüche der Union seit der Amtszeit Stoibers als CSU-Chef verändert haben: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine traditionelle Regierungspartei wie die Union, die Deutschland weit über 50 Jahre regiert und das Land entscheidend geprägt hat, als Juniorpartner in eine Koalition gehen wird", sagt Stoiber auf Nachfrage und man spürt, wie sich sein Geist mit aller Kraft gegen diese Vorstellung wehrt.

CSU in Bayern mit fast 60 Prozent bei Stoibers Kanzlerkandidatur

2002, als er als CSU-Chef Kanzlerkandidat der Union war, holten die Christsozialen in Bayern 58,6 Prozent der Stimmen, die Union im Bund 38,5 Prozent. Schon 2017 musste Stoiber das Ergebnis der Union von knapp 33 Prozent ebenso wie die damaligen 38,8 Prozent für die CSU als "historische Niederlage" hinnehmen. Von solchen Werten können CDU und CSU heute nur noch träumen.

14 Jahre ist es inzwischen her, dass Stoibers aktive politische Karriere im September 2007 ihr Ende fand. Eine Karriere, die ihm bis heute auch außerhalb der CSU auf jeden Fall in Bayern vielerorts Kultstatus eingebracht hat und die nach seinen eigenen Worten nie geplant war. Ein Grund, dass Stoibers Beliebtheit so hoch ist und er auch in Talkshows immer wieder ein gerne gesehener Gast ist, liegt in seinem auch von Kabarettisten imitierten Redestil – wie in dem Video mit Wolfgang Krebs schön zu erkennen ist.



Legendäre Transrapid-Rede

Legendär wurde Stoibers Rede zum Neujahrsempfang der CSU am 21. Januar 2002. Der Transrapid München, ein von Ende 2000 bis Frühjahr 2008 verfolgtes Projekt zum Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen dem Münchner Flughafen und dem Münchner Hauptbahnhof (das aufgrund explodierender Kosten schlussendlich verworfen wurde), war ihm eine Herzensangelegenheit. "Wenn Sie ... vom Hauptbahnhof in München ... mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen ... am ... am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug. Zehn Minuten. Schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in Heathrow in London oder sonst wo, meine se ... Charles de Gaulle äh in Frankreich oder in ...äh... in ... in...äh...in Rom."



"Meine politische Leidenschaft fällt heute vielleicht noch mehr auf, weil Politik stärker als früher auf rationale Argumente setzt und manchmal die emotionale Ansprache vermissen lässt", sagt Stoiber. Emotionalität dürfe man nicht unterschätzen: "Ich bleibe dabei, in der Politik sind Stimmungen auch Fakten." Zwar sei Politik in erster Linie eine rationale Entscheidung für die Lösung A, B oder C. "Aber da ich Mehrheiten brauche und der Mensch nicht nur aus Verstand besteht, sondern auch aus Emotionen, spielen Emotionen in der Politik natürlich eine große Rolle. Und das wird immer so bleiben."

Franz Josef Strauß als Mentor

Von 1974 bis 2008 war Stoiber Mitglied des Landtags, CSU-Generalsekretär und Staatssekretär unter seinem Mentor Franz Josef Strauß, Innenminister, Leiter der Staatskanzlei und 14 Jahre Ministerpräsident. 2002 war er nach Strauß im Jahr 1980 der zweite Unionskanzlerkandidat der CSU und – angesichts des gescheiterten Machtkampfes von Söder im April – auch der bislang letzte.

Über Langeweile kann sich Stoiber weiterhin nicht beklagen, und dies liegt nicht nur an seinen acht Enkelkindern: Die Liste seiner Aktivitäten und Mitgliedschaften ist weiterhin lang und reicht von der Freiwilligen Feuerwehr Wolfratshausen bis zum Aufsichtsrat des Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München. Außerdem ist er noch immer Anwalt und bestreitet wegen seiner politischen Karriere TV-Auftritte und Podiumsdiskussionen. Stoiber bei "Markus Lanz", Stoiber auf dem CSU-Parteitag, Stoiber beim Wahlkampfabschluss von CDU und CSU in München: Gerade in den vergangenen Wochen war der Elder Statesman der CSU immer wieder präsent. Lanz musste ihn in seiner Talkshow angesichts der sprudelnden Mitteilungslust sogar ausbremsen: "Sie sind nicht mehr Kanzlerkandidat."

Vermutlich würde sich Stoiber auch heute noch eine Kanzlerkandidatur, mindestens aber ein Ministerpräsidentenamt zutrauen. US-Präsident Joe Biden als mächtigster Mann der Welt ist immerhin auch schon 78 Jahre alt – warum sollte nicht ein vitaler Stoiber auch noch mitmischen können?

Ziehsohn Markus Söder

Doch das Szenario eines Stoiber-Comebacks war schon in den vergangenen Jahren nicht mehr als ein Traum der Stoiberianer. In der CSU reicht es allen völlig, wie aktiv der Wolfratshauser seine Position als CSU-Ehrenvorsitzender einnimmt. Immer wieder meldet er sich zu Wort, immer wieder berät er auch seinen politischen Ziehsohn Markus Söder. Das gilt bis heute. Dieser bedankt sich: "Er bleibt mir ein Mentor, ich bin ihm nach wie vor eng verbunden", schreibt der bayerische Ministerpräsident am Morgen von Söders rundem Geburtstag auf Facebook.


Dass er Söder im Vergleich zu Armin Laschet für den weitaus besseren Kanzlerkandidaten gehalten hätte, ist bekannt. Doch so wie sich die CSU mit Attacken auf Laschet bisher zurückhielt, verzichtete auch Stoiber. Dabei nahm und nimmt er ansonsten kein Blatt vor den Mund, wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder erleben musste, die er auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise mit den Worten "Du machst Europa kaputt" frontal angriff. Als sie 2005 erstmals Bundeskanzlerin werden wollte, lästerte er über ihre Koalitionspläne mit dem damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle, die "ostdeutsche Protestantin" werde es mit "einem Junggesellen aus Bonn" an der Seite schwer haben. Beide seien nicht das Team der Zukunft.

Wer wie Stoiber seit Jahrzehnten auf zig Hochzeiten aktiv ist, der wird zu seinem 80. Geburtstag auch nicht nur einmal gefeiert. Nach dem Fest am Geburtstag im Kreise seiner Familie stehen unter anderem Empfänge der Staatsregierung, von CDU und CSU (mit Reden beider Parteichefs) auf dem Programm und eine große Feier mit rund "90 Freunden, die mich in meinen Lebensphasen eng begleitet haben. Da kommen Freunde aus Politik, Wirtschaft, Sport, aus dem Fußball. Das gehört halt alles zu meinem Leben", sagt Stoiber.

Ein Schmankerl am Donnerstag: die Feier mit Söder und Laschet

Ein besonderes Schmankerl dürfte für den Vollblutpolitiker Stoiber dann am kommenden Donnerstag anstehen. Bei der Feier, die CSU und CDU ihm zu Ehren geben, können Söder und Laschet ganz persönlich von den Verhandlungen in Berlin berichten. Beide Parteichefs wollen bei der Feier auch Reden halten, die im Internet übertragen werden sollen.

Im Gegenzug kann Stoiber dann den beiden Parteichefs (und allen anderen aktiven Politikern) einen Rat mitgeben: Er wisse, "dass es in der Politik immer auch auf und ab geht und dass wir jetzt in einer schwierigen, so noch nie da gewesenen Situation sind. (...) Aber das ist nicht das Ende."

− DK/dpa/afp