Zwei zweite Akte aus zwei Opern
Barenboims Kunst der Verführung bei den Salzburger Festspielen

24.08.2022 | Stand 21.09.2023, 6:03 Uhr
Brigitte Janoschka

Applaus nach "Parsifal" für Elïna Garanča (von links), Brandon Jovanovich, Daniel Barenboim und Michael Volle, sowie die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor mit den Blumenmädchen (in farbigen Kleidern). −Foto: Brigitte Janoschka

Zwei zweite Akte aus zwei Opern, die zwischen 1877 und 1882 entstanden, wählte Daniel Barenboim für sein Programm mit den Wiener Philharmonikern im großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen.

"Samson et Dalila" von Camille Saint-Saëns und "Parsifal" von Richard Wagner setzen beide eine mythische Frauenfigur in den Mittelpunkt ihrer Handlung. In der Auseinandersetzung mit ihrem männlichen Gegenüber beschreiten sie jedoch unterschiedliche Wege. Will Dalila das Geheimnis der Stärke Samsons herausfinden, so ist es Kundry, die Parsifal ein Geheimnis nicht anvertraut, nämlich den Weg zum Gralskönig Amfortas. Beruht Samsons Stärke auf einem Gelübde, so unterliegt Kundrys Weg einem Fluch. Beide Frauen wenden ihre angebliche Liebe als List an – Dalila im Krieg gegen die Hebräer und Kundry, um durch die Liebe Parsifals erlöst zu werden.

Die lettische Mezzosopranistin Elïna Garanča fügte sich in beide Rollen perfekt ein und charakterisierte mit ihrer unglaublichen Bandbreite an Klangfülle, -gestaltung und Tonhöhen beide Frauen in ihrer jeweiligen Situation. Berückend die Arie "Mon cœur s’ouvre à ta voix". Auch äußerlich passte sie sich mit einem kräftig-orangen Abendkleid als Dalila und einem feierlich-weißen Kleid mit etwas strengerer Frisur als Kundry an die Handlung an. Angesichts ihrer Leistung an diesem Konzertabend der Festspiele verwundert es nicht, dass sie Inhaberin vieler Auszeichnungen ist.

Wie sie zeigte auch der US-amerikanische Tenor Brandon Jovanovich herausragende Qualitäten bei der Interpretation der beiden Rollen des Samson und des Parsifal. Auch er legt eine lange Liste mit verschiedenen Rollen an bedeutenden Konzert- und Opernhäusern vor. Zunächst standfest und als Samson von seiner Mission überzeugt, kann er sich doch der Liebe zu Delila nicht erwehren und erklärt sie ihr in den höchsten (Tenor-)Tönen.

Als Oberpriester und Klingsor überzeugte nicht weniger Michael Volle mit seiner ausladenden Baritonstimme. Zweimal wählte ihn die Zeitschrift "Opernwelt" schon zum Sänger des Jahres, und auch er blickt auf höchst erfolgreiche Opern- und Liedproduktionen zurück.

Daniel Barenboim – bereits 80 Jahre alt – dirigierte im Sitzen. Die Gesten seines Dirigats waren wohldosiert, doch die Wiener Philharmoniker reagierten mit Präzision und Einfühlungsvermögen. Sie musizierten mit Transparenz und ließen, wie auch die Solisten, nichts von dem vermissen, was eine szenische Opernaufführung zu bieten hat. Einen großen Beitrag dazu lieferte bei "Parsifal" die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Einstudierung Jörn Hinnerk Andresen) und die mit versierten Solistinnen besetzten Blumenmädchen.

Das Musikerlebnis durch dieses großartige Orchester mit allen anderen Mitwirkenden wurde vom Publikum mit einem lautstarken, minutenlangen und herzlichen Applaus honoriert.

Brigitte Janoschka

Die Salzburger Festspiele dauern noch bis 31. August