Rassismus unter der Lupe
Ärger um Seehofer-Studie: Polizei in Baden-Württemberg macht nicht mit

05.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:33 Uhr

Die Polizei in Baden-Württemberg boykottiert eine landesweite Studie zu Erfahrungen und Einstellungen von Polizeibeamten. −Symbolbild: Marijan Murat/dpa

Rechte Umtriebe und Rassismus bei der Polizei? Dieser Verdacht nach einigen Vorfällen empörte viele Beschäftigte. Eine Studie über den Alltag der Polizisten sollte trotzdem den Problemen auf den Grund gehen. Doch im Südwesten wird daraus wohl nichts.

Die Polizei in Baden-Württemberg schert aus und boykottiert als einziges großes Bundesland eine bundesweite Studie zu Erfahrungen und Einstellungen von Polizeibeamten. Nach einem Veto des Hauptpersonalrats wird ein Online-Fragebogen der Deutschen Hochschule der Polizei nicht an die Dienststellen verteilt, obwohl Innenminister Thomas Strobl (CDU) für eine Teilnahme geworben hatte.

Regierungschef Kretschmann will Boykott nicht hinnehmen

Regierungschef Winfried Kretschmann will das nicht hinnehmen. „Wir wollen, dass diese Studie gemacht wird“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. In fast allen anderen Bundesländern ist die vom Bund initiierte Befragung schon abgeschlossen - nur in Hamburg hat sich ebenfalls der Hauptpersonalrat dagegen entschieden.

Die Studie geht auf den früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zurück, der damit auf Forderungen reagierte, möglichen Rassismus und Rechtslastigkeit in der Polizei zu untersuchen. Die Untersuchung wurde dann aber deutlich breiter angelegt. Alle Innenminister der Länder unterstützen das Forschungsprojekt zu „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag“ von Polizisten.

Teilnahme wäre für Beamte freiwillig

Kretschmann will nun klären lassen, ob der Hauptpersonalrat überhaupt die Möglichkeit hat, die Teilnahme der Beschäftigten der Polizei an der Studie zu blockieren. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Die Frage ist, ob die Spitzen der grün-schwarzen Koalition die Studie nun gegen den Willen des Personalvertretung durchführen lassen wollen. Dem Vernehmen nach wollte Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz diese unbedingt einbinden, um die Akzeptanz unter den Beschäftigten zu erhöhen. Ein echtes Mitbestimmungsrecht habe der Hauptpersonalrat aber nicht. Die Teilnahme an der Umfrage wäre für alle Beamtinnen und Beamten freiwillig gewesen.

Rainer Wendt, Bundeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, hält das Nein für völlig nachvollziehbar. Personalräte seien nicht dazu da, den Willen der Politik zu exekutieren, sagte Wendt der dpa. Im Übrigen gebe es große Zweifel an der Unabhängigkeit der Studie der Hochschule für Polizei in Münster. „Die Polizei hat die Nase gestrichen voll von diesen ganzen Rassismus-Studien, die nichts anderes als den Zweck verfolgen, die ohnehin bei vielen vorhandene Auffassung zu bestätigen, dass die Polizei eine rassistische Schlägerbande sei.“

In vielen Ländern wurden Personalräte nicht gefragt

Wendt sagte, die Tatsache, dass außer Baden-Württemberg und Hamburg alle Länder bei der Studie mitmachten, sage nichts über die Akzeptanz bei der Polizei aus. Denn in vielen Ländern sei der Hauptpersonalrat nicht nach seiner Zustimmung gefragt worden. „Man hätte aber überall fragen müssen“, sagte Wendt. An der geringen Rücklaufquote der Fragebogen erkenne man, dass die Akzeptanz sehr niedrig sei. Bundesweit machten nach seinen Informationen gut 20 Prozent mit, in Bayern liege die Quote aber zum Beispiel bei nur zwei bis drei Prozent.

Bei der Hochschule in Münster hieß es, man sei von der Absage durch den Hauptpersonalrat nach einem halben Jahr überrascht worden. „Wir bedauern, dass wir nicht gefragt worden sind“, sagte Mitautor Jochen Wittenberg der dpa. In fast allen Ländern sei die Befragung abgeschlossen, in NRW und bei der Bundespolizei soll sie im Juli enden. Berlin werde etwas später nachliefern. Wittenberg geht davon aus, dass die Ergebnisse bei der nächsten Konferenz der Innenminister Ende November vorgestellt werden soll.

− dpa