Ein Zug mit 90-jähriger Geschichte

SVT Leipzig wartet auf dem Bahngelände auf neue Motoren – In DDR als "Ulbricht-Zug" bekannt

26.03.2021 | Stand 20.09.2023, 1:05 Uhr

Der dreiteilige Schnellverbrennungstriebwagen "SVT Leipzig" wartet auf dem Viechtacher Bahnhofsgelände auf eine Reparatur. −Fotos: Schlamminger

Viechtach. Fast 90 Jahre alt und in diesen Jahrzehnten eine bewegte Geschichte hinter sich gebracht hat der Schnellverbrennungstriebwagen (SVT) Bauart "Leipzig", der in den Viechtacher Bahnwerkstätten auf Vordermann gebracht werden soll. Diese Woche wurde der Triebwagen von Delitzsch im Nordwesten des Freistaats Sachsen in einer zweitägigen Sonderfahrt und gezogen von einer Diesel-Lokomotive nach Viechtach überführt.

Der SVT Leipzig mit der Nummer 137234 gehört dem Förderverein Diesel-Schnelltriebwagen, der sich im Jahr 2000 gründete, um einige Zeitzeugen der Eisenbahngeschichte für die Nachwelt zu erhalten. Laut einem Flyer des Vereins wurde zunächst der SVT Köln (Baujahr 1938) innen und äußerlich komplett aufgearbeitet. Nachdem dies bis zum Jahr 2014 abgeschlossen war, kümmerte man sich um den SVT Leipzig, der in den Jahren 1935/36 gebaut wurde. Er ist der letzte dieselelektrische Triebwagen dieser Art.

Wie der Vorstand Finanzen des Vereins, Axel Krahn, auf einer privaten Homepage informiert, standen die Überholung der Maybach-12-Zylinder-Dieselmotoren an, der ursprünglich von Siemens gelieferten Generatoren und der elektrischen Fahrmotoren, die im Original von AEG stammten. Ziel des Vereins ist die Herstellung eines betriebsfähigen Zustands. Das heißt auch: Einbau der aktuellen Sicherheitseinrichtungen, um den Triebwagen langfristig auch auf früheren Stammstrecken einsetzen zu können.

Der ursprünglich bei Linke-Hofmann in Breslau gefertigte Triebwagen hat seinerzeit eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreicht; bei einer Rekordfahrt am 17. Februar 1936 soll er sogar 205 km/h geschafft haben. Die installierte Leistung liegt bei zweimal 443 KW (zweimal 600 PS). Für die Überführungsfahrt waren aber maximal 60 km/h zugelassen: Weil die Motoren zur Überholung ausgebaut sind, ist das Fahrzeug nicht stabil genug für höhere Geschwindigkeiten, wie Axel Krahn vom Förderverein informiert.

Das Fahrzeug bot im Original 30 Plätze der zweiten und 109 Plätze der dritten Klasse. Rund 40 Jahre nach der Indienststellung dürften 1978 die letzten Einsätze erfolgt sein, ist auf der Homepage weiter nachzulesen. Die wirtschaftlich vertretbare Nutzungszeit war abgelaufen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der SVT Leipzig in Besitz der polnischen Eisenbahngesellschaft PKP. Im Jahre 1955 kam der 137234 dann an die Reichsbahn der DDR und wurde zunächst einige Monate lang renoviert. Nur wenige Jahre wurde er dann im internationalen Verkehr eingesetzt und fuhr zum Beispiel nach Hamburg und Wien.

Der SVT 137 234 ist dann vom 21. Dezember 1960 bis 16. Juni 1961 zum dreiteiligen Salontriebwagen für die DDR-Regierung umgebaut worden. Der Mittelteil diente Walter Ulbricht, dem damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, als Arbeitszimmer. Es gab für ihn auch einen Schlafraum, eine zusätzliche Toilette und einen Duschraum. Zusätzlich gab es einen Konferenzraum und eine Küche. Der SVT Leipzig wurde in der Folge auch als "Ulbricht-Zug" bekannt.

Ulbrichts Nachfolger hatten jedoch kein Interesse mehr an dem Fahrzeug. Am 5. August 1983 wurde der Ausmusterungsantrag eingereicht, aber die Zerlegung zurückgestellt. Nach 1990 gelangte der SVT Leipzig in Privatbesitz und wurde äußerlich wiederaufgearbeitet, bis er schließlich in die Hände des Fördervereins kam.

Nach der zwei Tage dauernden Überführung nach Viechtach soll nun die hiesige Bahnwerkstatt die Aufarbeitung des historischen Schienenfahrzeugs weiterführen und auch die generalüberholten elektrischen Fahrmotoren einbauen, die mit Lastwagen nach Viechtach gebracht werden.