"Das ist Diskriminierung"

Rund 80 Menschen bei Mahnwache auf Stadtplatz in Tittmoning – Organisatoren gegen Testpflicht an Schulen

22.04.2021 | Stand 19.09.2023, 20:08 Uhr

Carolin Boergen und Viktor Fitzler haben den Eltern-Protest auf dem Stadtplatz organisiert.

Tittmoning. "Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder und deren Zukunft", sagt Carolin Boergen. Zusammen mit Viktor Fritzler hat sie eine Mahnwache auf dem Stadtplatz in Tittmoning organisiert, zu der am Montagabend knapp 80 Menschen gekommen waren. Eine Bühne gab es nicht, ein stummer Protest wurde angekündigt. Dafür wurde sich untereinander wortreich ausgetauscht und gemeinsam auf die Politik geschimpft.

Kurz nach 18 Uhr am Montagabend: Kleinere und größere Menschengruppen tummeln sich auf dem Stadtplatz rund um den Brunnen. Kinder tollen herum und spielen Fangen zwischen den Autos, von denen drei auch Polizeifahrzeuge sind. Vereinzelt hört man eine Trillerpfeife, ansonsten nur die Gespräche der Leute. "...und ich kann auch den Lauterbach nicht mehr sehen, der verbreitet nur Panik", heißt es da. Ein Gericht habe bestätigt, so eine andere Frau, dass Corona-Schnelltests Körperverletzung wären. Auch zu hören ist die Vermutung, dass "die Medien" von "der Politik" gekauft sind. Wieder andere befassen sich weniger mit diesen aufgeheizten Themen, in denen es mehr um Meinung und Glauben zu gehen scheint als um stichhaltige Fakten, reden vergnügt und lachen zusammen. Eher weiter abseits des Pulks steht eine Familie, die nicht den Anschein macht, zum Kern der Protestler zu gehören. Die Frau sagt: "Ich sag es ja nicht gerne, aber Merkel ist schlimmer als der Hitler damals."

Inzidenzzahl: "Das ist doch Käse"

Der Reporter der Heimatzeitung spricht eine andere Gruppe vor Ort an, und fragt, warum man hier sei. "Wir sind hier, weil wir unseren Kindern wieder eine Perspektive geben wollen, und sind auch in Sorge, was ihre Zukunft angeht", antwortet eine Frau. Das ständige Hin und Her, was die Schulschließungen angehe, eine Maskenpflicht für Schüler, die Erwachsene in ähnlichen Situationen nicht einhalten müssen, und nun auch noch die Testpflicht, das sei alles unverhältnismäßig. Auch im Hinblick auf Firmen, in denen nicht getestet werden müsse. "Mir geht es so, dass ich das Vertrauen in die Politik verloren habe. Das starre Klammern an die Inzidenzzahl zum Beispiel, das ist doch Käse." Eine andere Frau meint: "Wenn ich den Söder nur sehe oder reden höre, dann könnt ich im Strahl kotzen. Aber das darfst Du ja sicher nicht schreiben." Doch bei aller Kritik wird betont: "Wir sind sicher keine AfDler, keine Querdenker. Nur besorgte Mamas und Papas."

Das betonte auch Organisatorin Carolin Boergen im Gespräch mit der Heimatzeitung einen Tag danach. "Wir sind keine Aluhutträger oder Querdenker, sondern Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen", sagt die Heilpraktikerin aus Wiesmühl bei Tittmoning. Man sei positiv überrascht gewesen, dass trotz des anfänglich schlechten Wetters so viele gekommen waren. "Auch mit Vertretern der Polizei haben wir gesprochen, die waren sehr nett und auch zufrieden mit dem Verlauf. Aber da hatte ich keine Zweifel. Wir sind ja keine Rabauken", so Boergen. Schon ein Jahr organisiere man sich über virtuelle Gruppen, tausche sich über die Situation und die Entscheidungen der Politik aus.

Testpflicht brachte "Fass zum Überlaufen"

"Bei vielen Eltern brachte aber die Testpflicht für unsere Kinder das Fass zum überlaufen", so die Mutter von drei Kindern, die zwölf, zehn und sechs Jahre alt sind. Für sie selbst sei mit "diesem Eingriff am Kind" auch "eine Grenze überschritten", ihre Tochter, die eigentlich die vierte Klasse besucht, lässt sie deshalb von der Schule zuhause. "Ich halte das aus, ich kann eine Maske beim Einkaufen tragen oder bei der Mahnwache. Das macht mir nichts. Aber mir geht es um die Kinder", sagt Boergen.

Es sei ihrer Meinung nach auch "wissenschaftlich erwiesen", dass Kinder keine Infektionstreiber seien, aber "definitiv die Leidtragenden dieser ganzen Maßnahmen". Man wolle dem Nachwuchs eine Stimme geben, sich dafür einsetzen, "dass sie alle ohne Maske wieder in die Schule gehen, sich zum Bolzen oder Schwimmen treffen dürfen." Ihre Kinder würden "massive Einschnitte" ihres jungen Lebens hinnehmen müssen. Die älteste Tochter könne zwar noch Reiten gehen, die anderen Hobbys der jüngeren Kinder wie Kampfsport und Saxophon-Unterricht seien verboten. Andererseits dürften Menschen nach Mallorca fliegen oder sich "im Rossmann auf den Füßen stehen. Das passt doch alles einfach nicht zusammen".

Auf die Frage, wie sie auf einen Vorwurf eine "Helikopter-Mama" zu sein, reagieren würde, sagt sie: "Nein, das bin ich bestimmt nicht. Unsere Kinder sind draußen im Wald unterwegs, da weiß ich oft nicht mal genau, wo sie sind und was sie da treiben", so Boergen. Auch die Bezeichnung Verschwörungstheoretikerin weist sie weit von sich. Dennoch ist für sie die Testpflicht die Vorhut für eine Impfpflicht, mit einem Stoff, "bei dem noch gar nicht klar ist, ob es Langzeitfolgen gibt. Alle reden immer von Long-Covid, aber hier ist es doch genauso". Ihr ist klar, dass diese Ansichten bei weitem nicht alle Menschen teilen. "Das ist auch völlig okay. Jeder, der möchte und Angst hat, soll sich impfen lassen."

"Pandemie spaltet die Gesellschaft"

Sie wolle aber nicht, dass beispielsweise ihre Kinder "von der Schule ausgeschlossen werden", wenn sie sich nicht testen lassen: "Das ist Diskriminierung". Aber was macht man mit der anderen Seite, Eltern oder Lehrer, die sich um die Gesundheit sorgen, wenn ungetestete Kinder im Unterricht sitzen? Darauf hat Boergen keine Antwort, weiß aber: "Diese Pandemie spaltet die Gesellschaft mehr und mehr. In diesem Fall kommt man wahrscheinlich einfach nicht auf einen Nenner."

Angesprochen auf den Merkel-Hitler-Vergleich während ihrer Veranstaltung auf dem Stadtplatz, sagt sie: "Das geht natürlich gar nicht. Es ist schwer, einen Überblick bei einer größeren Menschenansammlung zu behalten. Viele, die da waren, kannte ich gar nicht. Wenn wir so etwas mitbekommen, werden wir solche Leute rausschmeißen. Damit wollen wir nichts zu tun haben".

Drei weitere Veranstaltungen sind an den kommenden Montagen auf dem Stadtplatz angemeldet. Boergen sei gerade dabei, sich vom Landratsamt auch eine Freigabe für Lautsprecher und Mikrofon zu holen. "Um die Menge besser unter Kontrolle zu haben. Und jeder soll auch die Möglichkeit haben, ans Mikrofon zu gehen." Auch soll ein Pavillon aufgestellt werden, falls es regnet.