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"Jeder Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag"

30.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Foto: DK

Robert Nadler trainiert seit zehn Jahren dieselbe Wettstettener Jugendfußballmannschaft. Aus den Kindern von 2006 sind inzwischen junge Erwachsene geworden.

Sein Ziel ist eine U 21 für Wettstetten. Mit allen seinen jetzigen Spielern. Das wäre in zwei Jahren, aber jetzt startet erst mal die A-Jugend. "Irgendwie kaum zu glauben, dass wir von der F 2 jetzt da angekommen sind", sagt Fußballtrainer Robert Nadler und schüttelt den Kopf. 2006 hat er die damals siebenjährigen Spieler übernommen. Und ist seitdem ihr Trainer geblieben. Inzwischen sind fast alle seiner kleinen Schützlinge von damals größer als er. Aber sportlich mithalten kann Nadler noch ganz gut. Dreimal die Woche läuft der 48-Jährige gut 15 Kilometer, meistens um seinen Wohnort Echenzell herum. Auch um fit zu sein für seine Jungs. Über die Jahre hat er sie aufwachsen gesehen. Zweimal in der Woche haben sie trainiert, am Wochenende die Spiele absolviert. Miteinander gekämpft, manchmal gelitten, oft gesiegt und gefeiert. Zusammen auf die ersten wärmeren Tage im März gewartet ("Endlich wieder raus!") und im November bis zu den ersten Schneeflocken die Halle gemieden. Sie haben viel zusammen unternommen und den FC Ingolstadt schon im Stadion angefeuert, als er noch drittklassig war.

Die Highlights seiner bisherigen Wettstettener Trainerjahre? "Die Meisterschaft und der Aufstieg 2012 und das internationale Turnier in Gaflenz in Österreich im Sommer 2013." Da braucht Nadler nicht lange zu überlegen. "Das Turnier war was ganz Besonderes und auch irgendwie krass: Da waren Vereine von nationaler und internationaler Klasse wie der FK Minsk oder Jagiellonia Bialystok aus Polen. Und wir aus Wettstetten!" Nadler muss immer noch lachen, wenn er an die Tage in Österreich denkt.

Tiefpunkte? Da schaut der Betriebswirt ziemlich frustriert, der tiefste Tiefpunkt wirkt noch nach, der war erst in der vergangenen Saison. Mit der Trainingsmoral ging es rapide bergab, fadenscheinige Entschuldigungen und Ausreden wurden fast zur Regel. Nadler hat durchaus Verständnis für seine Jungs: "In dem Alter gibt es so viel Ablenkung: Mädels, Durst, Führerschein, Abschlüsse, Lehre. Das kann ich schon verstehen. Aber einmal in drei Wochen trainieren reicht halt nicht. Taktiktraining zu sechst geht nicht, auch nicht, wenn der Co-Trainer und ich selbst mitmachen." Nach einer "Entweder-Oder-Mail" an die Mannschaft haben sich alle am Riemen gerissen. "Jetzt machen wir weiter, mit voller Konzentration, die schlimmste Zeit ist hoffentlich vorbei", sagt Nadler. Das letzte Saisonspiel im Juli war ein guter Neustart: "Bei 30 Grad stand's nach 60 Minuten 0:2, dann haben wir noch 3:2 gewonnen. An so ein Spiel denkt man immer gerne zurück." Eindeutig: Die Mannschaft lebt noch!

 

DIE SPIELER

Von Anfang an dabei sind vier Spieler: Tim, Stefan, Leon B. und Vanessa, in den vergangenen Jahren das einzige Mädchen der Gruppe. "Ich glaube, ich hab jetzt das zwölfte Jahr Fußball gespielt. Ich bin von Anfang an supergut aufgenommen worden, und es war irgendwie auch cool, das einzige Mädchen in einer Jungsmannschaft zu sein", berichtet die 16-Jährige. Ein halbes Jahr war Vanessa zwischenzeitlich bei den FCI-Damen. Aber da hat sie ihre Wettstettener Jungs doch zu sehr vermisst. Jetzt ab der A-Jugend gibt es aber keine weitere Spielgenehmigung mehr für sie: "Aber zum Training und zu den Freundschaftsspielen bin ich natürlich weiter da. Ein Leben ohne Fußball kann ich mir nicht vorstellen. Und Robert ist einfach der beste Trainer." Und nicht nur Trainer, sondern auch "Eventmanager", wie er sich selbst scherzhaft bezeichnet hat: Als Vanessa bei der Fernsehsendung "The Voice Kids" 2014 bis in die vorletzte Runde gekommen ist, hat er kurzerhand einen Wochenendausflug nach Berlin organisiert. Zu Vanessas Unterstützung war die ganze Mannschaft zur Aufzeichnung der Sendung im Studio. Spieler Leon B. empfindet diese vielfältigen Mannschaftsaktivitäten neben Training und Spielen als etwas ganz Besonderes: "Die Trainingslager in den Sommerferien sind genial, genau wie unsere Feiern! Robert früher als reimender Nikolaus und die legendären Buffets - echt super", erzählt der 17-Jährige.

 

DIE ELTERN

Und was sagt Nadlers Ehefrau Andrea (47) zum fußballdominierten Haushalt? "Ich kenne es nicht anders. Bei uns gab es immer nur ein Leben mit Fußball." Superschön sei, dass sich im Lauf der Jahre eine tolle Elterngemeinschaft entwickelt habe. Jubeln am Spielfeldrand bei Wind und Wetter verbinde, gemeinsamer Frust und gemeinsames Feiern über die Jahre auch. Und irgendwie habe man ja nicht nur das eigene Kind, sondern auch die anderen über die Jahre groß werden sehen. Die Spielereltern sind wirklich eine Klasse für sich und bis heute fast alle bei den Spielen dabei. Die Spieler sind begeistert, dass sie immer so einen großen Fanclub aus Eltern, Geschwistern und vereinzelt sogar Großeltern im Rücken haben (während das bei manch gegnerischer Mannschaft für Verwirrung sorgt - kein Nachteil für den Spielverlauf). "Robert ist wirklich ein klasse Trainer, immer gut gelaunt, obwohl er ja auch durchaus mal laut werden kann auf dem Spielfeld," so Spielermutter Klara Flieger. Leon B.s Eltern Sigrid und Bert Brandes fügen hinzu: "Und den Elternzusammenhalt hat er durch seine vielen Aktionen und Angebote genial gefördert." Auch Nadlers Sohn Tim, von Beginn an in der Mannschaft dabei, findet die Anwesenheit seiner Eltern positiv: "Doch, das ist gut, dass wir alle so zusammen unterwegs sind. Ich fand's nie schlimm, der Sohn vom Trainer zu sein. Und dass ich nicht selbst zum Training fahren muss, ist auch super", ergänzt er augenzwinkernd. Der ältere Nadler-Sohn Philipp, der über Jahre Co-Trainer der Mannschaft war, vermarktet nach seinem Sportmanagement-Studium nun einen Fußballklub...

Das Besondere in all den Jahren: Nadlers erstes und oberstes Ziel war es immer, die Mannschaft zusammenzuhalten: "Sicher freut man sich über gute Ergebnisse, aber das Wichtigste war mir immer, dass alle mit Freude dabei bleiben", erklärt der Trainer. Dazu gehört auch, dass jeder mal spielen darf - und nicht nur die Stärksten aufgestellt werden. Auch im inzwischen fortgeschrittenen Alter werden neue Spieler immer gebraucht: "Jeder, der einigermaßen geradeaus laufen kann und charakterlich zur Mannschaft passt, ist bei uns willkommen!", so Nadler. 16 Spieler hat er zur Zeit, das sei "eher untere Kante", sagt er.

Nebenbei hat Nadler fast die ganze Mannschaft zum Trainerlehrgang animiert, die meisten helfen bereits in den unteren Jahrgängen des SV Wettstetten mit. Denn seinen Wahlspruch haben seine Spieler definitiv verinnerlicht in den vergangenen zehn Jahren: "Jeder Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag!"