Zeit gewinnen

Kommentar

19.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:17 Uhr

Die befürchtete große Rebellion in der SPD bei der Entscheidung über das EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta ist ausgeblieben. Die Genossen folgen ihrem Vorsitzenden letztlich doch - wenn auch viele widerwillig und mit geballter Faust in der Tasche.

Punktsieg für Gabriel, allerdings nur mit Ach und Krach. Alles andere als dieses Ergebnis wäre für die Sozialdemokraten der Super-GAU gewesen. Sie hätten ihren Parteichef demontiert und sich wohl einen anderen Kanzlerkandidaten suchen müssen.

Wieder einmal haben es sich die Sozialdemokraten schwer gemacht, mit sich gerungen bis an den Rand der Selbstzerfleischung. Die SPD bleibt jedoch die Partei des donnernden "Sowohl-als-Auch", wie es Willy Brandt einmal formuliert hat: Hier die Globalisierungskritik, dort die Zwänge einer Regierungspartei, die ihren Vizekanzler, Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten in spe nicht beschädigen will und ihr Wirtschaftsprofil schärfen muss.

Gabriels Strategie, die Hoffnung auf substanzielle Änderungen am bereits ausverhandelten Vertrag mit Kanada zu wecken, ist aufgegangen. Die SPD versucht, Zeit zu gewinnen, und schiebt den Ball dem EU-Parlament und der Kommission noch einmal zu, die nun die weiteren Verhandlungen führen sollen. Ob in Brüssel und Straßburg die Freude über die umfangreichen Änderungswünsche der deutschen Sozialdemokratie besonders ausgeprägt ist, bleibt fraglich. Klar ist aber schon jetzt, dass der Streit über Ceta die SPD früher oder später wieder einholen wird - wahrscheinlich noch vor der Bundestagswahl.