Reisbach
Mit Drogen Gefühle betäubt: Reisbacher schon wieder vor Gericht

01.04.2023 | Stand 17.09.2023, 0:10 Uhr

Nachdem ein Reisbacher bereits einige Male wegen Drogendelikten vor dem Landauer Amtsgericht stand, muss er sich nun wegen bewaffnetem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor dem Landgericht verantworten. Das Urteil soll am 21. April fallen. −Foto: Klee

„Wie reizvoll oft Drogen gerade auf Jugendliche wirken und wie sie das Leben von Grund auf durcheinanderbringen können, hat sich bei einem Fall vor dem Landauer Amtsgericht gezeigt: Ein gerade mal 22-Jähriger musste sich wegen mehreren Drogendelikten verantworten – alles, um seine Sucht zu befriedigen und zu finanzieren“ – mit diesen Zeilen hat die Landauer Neue Presse bereits im September vergangenen Jahres über einen Reisbacher berichtet, der schon öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.

Richter Florian Grotz verurteilte den jungen Mann damals wegen unerlaubten Besitzes und Handel in Tatmehrheit sowie in Tateinheit wegen Besitz von Drogen in nicht geringer Menge zu einer Einheitsjugendstrafe. Denn: Auch davor war der Reisbacher polizeilich schon öfter auffällig gewesen, ist insgesamt bereits fünf Mal vorbestraft – wegen gefährlicher Körperverletzung, Waffenbesitz und eben mehreren Drogendelikten. Eine Jugendstrafe, bei der noch eine Bewährung eines älteren Urteils einfloss, von insgesamt zwei Jahren und fünf Monaten wurde dafür verhängt.

Gerade mal zwei Monate nach dieser Tat dann das nächste Delikt: Nach einem anonymen Tipp seien zivile Beamte auf Streife gegangen, hätten sich im Ort umgesehen. Und weil der Angeklagte bei den Polizisten bereits bekannt ist – „ich hatte schon diverse Male mit ihm zu tun“, sagte einer der geladenen Beamten vor Gericht aus – seien sie gleich auf ihn aufmerksam geworden. Tatsächlich hätten sie ihn dann auf frischer Tat ertappt, als er einem anderen jungen Mann drei Gramm Marihuana, zwei Gramm Amphetamin und vier Ecstasy-Tabletten für 110 Euro verkauft hatte, wie mehrere Polizisten Richter Thomas Lindinger am Landgericht erklärten. Bei der anschließenden Kontrolle seien beide Beschuldigte erst geflüchtet, seien aber recht schnell von den Polizisten dingfest gemacht worden – der Angeklagte noch mit dem Geld in der Hand und der Käufer mit den Drogen.

Klappmesser beim Dealen mit dabei

Anschließend seien beide durchsucht worden, wobei beim Angeklagten ein Klappmesser, das er unter seinem Fahrradsattel zwischen die Federn gesteckt hatte, sichergestellt wurde. Danach sahen sich die Beamten noch in der Wohnung des Reisbachers um: Insgesamt um die 108 Gramm Marihuana, 29 Gramm Amphetamin, 21 Ecstasy-Tabletten, drei LSD-Trips und 0,1 Gramm Methamphetamin wurden dort in den beiden Garagen des Wohnhauses und weitere 0,95 Gramm Amphetamin, insgesamt ca. 1400 Euro sowie diverses Verpackungsmaterial und verschiedene Waffen wie zwei Elektroschocker, zwei Baseballschläger, ein Springmesser, ein Butterflymesser, ein Messer mit feststehender Klinge, eine Metallstange, einen abgesägten Billardqueue und zwei Macheten wurden dabei in seinem Esszimmer gefunden. Deshalb musste sich der Beschuldigte nun gestern vor dem Landshuter Landgericht wegen bewaffnetem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten.

Der Angeklagte ließ den Sachverhalt über seinen Anwalt Helmut Mörtl zumindest „in objektiver Hinsicht“ einräumen. Der Rechtsbeistand betonte allerdings auch, dass sein Mandant seit vielen Jahren stark drogenabhängig sei. „Trotz seines jungen Alters hat er bereits einen jahrelangen Kampf hinter sich.“ Immer wieder habe er versucht, beruflich Fuß zu fassen, habe auch bereits zwei Langzeittherapien hinter sich und trotzdem rutsche er immer wieder in die Sucht.

Die Drogen, die von der Polizei gefunden worden waren, seien allerdings nicht zum Handel da gewesen, wie Helmut Mörtl für den Angeklagten betonte: Mindestens die Hälfte davon sei zum Eigenverzehr gewesen. Weil er so stark abhängig sei, habe er „eine gewisse Vorratshaltung“ daheim angesammelt. Bei einem Teil könne er nicht ausschließen, dass er diesen nicht auch verkauft hätte – eben um seine Sucht zu finanzieren – den Löwenanteil habe er aber selber konsumieren wollen.

Wie sehr die Drogen das Leben
des jungen Mannes bereits beeinflussen, wusste Dr. Christina Schreyer, die als Sachverständige
den Angeklagten mehrmals untersuchte und vor Gericht geladen war. Bereits mit 13 Jahren soll der
Reisbacher das erste Mal Marihuana geraucht haben. Mit den Drogen habe er seine Gefühle betäuben wollen, wie sie vor Gericht aussagte. Denn: Weil in seiner Kindheit immer wieder Beziehungen zu Bezugspersonen in die Brüche gegangen seien, habe der Reisbacher nie wirklich ein Selbstwertgefühl aufbauen können.

Deshalb ging der gelegentliche Konsum schnell in einen regelmäßigen über. Und lange sollte es auch nicht „nur“ bei Cannabis bleiben. Bereits mit 15 Jahren fing er mit härteren Drogen an, nahm Ecstasy, ab 16 dann auch Crystal Meth. Zwischendurch musste er davon täglich um die zwei Gramm nehmen, um überhaupt funktionieren zu können, keine Entzugserscheinungen zu bekommen, wie sie erklärte. „Da ging es dann schon gar nicht mehr darum, einen Rauschzustand zu erleben.“ Sogar bei der ersten Untersuchung habe der Angeklagte bereits Entzugserscheinungen gehabt, weil er an diesem Tag nichts konsumiert hatte. So habe er gezittert und hatte Schweißperlen auf der Stirn, wie sie beschrieb. „Es liegt eine schwere Suchterkrankung vor“, war das Fazit ihres Gutachtens.

Drogen- und Waffenbesitz wegen geringem Selbstwert

Auch der Waffenbesitz lasse sich wohl auf ein zu geringes Selbstwertgefühl zurückführen, wie die Ärztin erklärte. So habe er diese angesammelt, weil sie ihm ein Gefühl von Stärke gegeben haben sollen, nicht weil er sie unbedingt habe einsetzen, jemanden verletzen habe wollen.

Mittlerweile sehe der Angeklagte schon besser aus, wie sie sagte. Zuletzt habe der junge Mann wohl durch die Sucht viele Kilos verloren, sei schon fast abgemagert gewesen. „Das Crystal hatte ihn ausgezehrt.“ Nun habe er wieder ein normales Gewicht.

„Seit zweieinhalb Wochen bin ich ganz clean“, erklärte der Angeklagte dem Richter etwas stolz. Seit ungefähr sieben Wochen sei er nun in einer Entzugseinrichtung. Laut der Sachverständigen würde die Behandlung noch zwischen 18 und 24 Monate andauern.

„Was passiert dann nach den zwei Jahren Therapie“, fragte Richter Thomas Lindinger in die Runde. Damit machte er auf die Jugendstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten aufmerksam, die noch ausstehen würden. Inwiefern sich diese mit einer erneuten Verurteilung durch das Landgericht vereinbaren lasse, sei juristisch schwierig zu entscheiden. Deshalb hat sich die Strafkammer dazu entschlossen, die Verhandlung zu unterbrechen. Am 21. April soll diese dann fortgesetzt, die Plädoyers angehört werden und ein Urteil fallen. Bis dahin hat der Angeklagte auch noch Zeit, mit einem Kontoauszug zu beweisen, dass sich unter den sichergestellten 1400 Euro nicht nur der Erlös des Drogenhandels, sondern auch ehrlich verdientes Geld aus der damaligen Ausbildung befindet.

Wegen des Gutachtens der Sachverständigen Dr. Christina Schreyer hat der Angeklagte auch wahrscheinlich nochmal Glück im Unglück. Da sie betonte, dass er die Waffen nicht habe, weil er gewaltbereit sei, sei es im Bereich des möglichen, wie der Richter erklärte, dass sich der Tatbestand von bewaffnetem Handeltreibens auf Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge herabgestuft wird.