Trostberg
Hochwasserschutz mit vielen positiven Effekten

Bagger graben Alzufer ab – Fluss bekommt mehr Raum – „Oase in der Stadt“ – Wasserwirtschaftsamt erläutert 3,8-Millionen-Euro-Bauprojekt

09.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:30 Uhr

Ein Lastwagen kippt tonnenschwere Wasserbausteine ab. Mit diesen werden die strömungslenkenden Buhnen im Wasser gebaut. - Fotos: Wasserwirtschaftsamt Traunstein

Ein Lastwagen kippt tonnenschwere Wasserbausteine ab. Die Schaufel eines Baggers frisst sich ins Erdreich, gräbt Kies, Steine und Wurzeln aus. Ein Arbeiter walzt mit einer schweren Maschine ein Stück der provisorischen Baustraße: Viel ist derzeit in Bewegung am Ufer der Alz im Trostberger Ortsteil Pechlerau.

Die Arbeiten zum Hochwasserschutz haben, wie berichtet, im November begonnen – und schon ist zu erahnen, wie es entlang der Alz einmal aussehen soll: Der Fluss wird mehr Raum bekommen, die Flächen im Vorland zu den Häusern werden abgesenkt, Böschungen und Mauern passend zum Gelände modelliert. Ende des Frühjahrs soll das Projekt auf der westlichen Flussseite bereits abgeschlossen sein, teilt das Wasserwirtschaftsamt Traunstein als Vorhabensträger im Auftrag des Freistaats Bayern in einer Presseaussendung mit.

Was beim Blick von der Bundesstraßenbrücke Richtung Süden noch anmuten mag, wie ein naturzerstörerischer Kahlschlag werde für die Trostberger und die Natur viele positive Effekte haben, betonen Richard Heinz und Andreas Philipp vom Wasserwirtschaftsamt auf Nachfrage. „Nicht nur, weil der Hochwasserschutz wirksamer wird, sondern auch, weil sich die Gewässerökologie für Flora und Fauna und der Freizeitwert für Spaziergänger und Radfahrer deutlich verbessern.“

Bisher seien Fluss und Auwald eher voneinander getrennt gewesen, so Heinz. Künftig werde sich dort ein viel homogenerer, naturnaher Naherholungsraum eröffnen – schon ab dem späten Frühjahr, wenn die Maßnahme auf der Pechlerau-Seite fertig sein soll, und erst recht, wenn alles begrünt und bepflanzt ist und vorübergehende Zufahrtswege für den Baustellenverkehr wieder verschwunden sind.

Flaches Gelände statt steilem Ufer

„Je mehr Platz das Flussbett der Alz bietet, umso besser für den Hochwasserschutz. Deshalb weiten wir das Ufer in der Pechlerau auf“, erklärt Andreas Philipp den Hintergrund und beschreibt den Ablauf der Bauarbeiten: Zunächst sei die Verlegung des dort verlaufenden Geh- und Radweges erforderlich gewesen. „Er ist nun zurückversetzt in Richtung Wohnbebauung und in Teilen neu angelegt. In einem nächsten Schritt graben Bagger Steine, Kies, Wurzeln und anderes Material aus der Uferzone. Das Gelände wird abgeflacht, es entsteht eine breite Fläche, in die das Wasser bei Hochwasser abfließen kann.“ Dabei werde der Kies sofort weiterverwendet. „Mit diesem schütten wir einen bis zu einen Meter hohen Hochwasserdamm auf“, so Philipp, „entlang der Bebauung vom Bolzplatz bis zum Ende der Pechleraustraße.“ Der Kies werde verdichtet, mit Oberboden bezogen und bepflanzt.

Sitzplätze direkt am Wasser und einige Obstbäume

Ein Synergieeffekt, der auch Baukosten spare, wie Richard Heinz ergänzt. Er sei zuversichtlich, dass man den veranschlagten Kostenrahmen von 3,8 Millionen Euro −– 35 Prozent zahlt die Stadt Trostberg, 65 Prozent der Freistaat Bayern – einhalten könne.

Wo das Gelände abgeflacht ist, werden die Arbeiter der zum Amt gehörenden Flussmeisterstelle Salzach einen Zugang zur Alz schaffen, schildert Andreas Philipp den weiteren Fortgang der Bauarbeiten, die auch dank des günstigen Wetters gut vorankommen. Denn: „Der Fluss soll erlebbar sein. Das gesamte Areal soll sich zu einer Oase in der Stadt entwickeln – samt einigen Sitzgelegenheiten und Obstbäumen.“

Den Anfang mache schon jetzt ein Nussbaum, der an der Bahnbrücke ausgegraben und umgesetzt wurde. „Drei Schwarzpappeln ein Stück weiter flussabwärts bleiben ebenfalls stehen“, sagt Philipp. Totes Gehölz wie die große Esche, die am Rand des Wassers liegt, werde als Gestaltungselement im Fluss eingesetzt. „Fische können dort Unterschlupf finden. Als Strömungslenker lassen sich Baumstämme wie dieser ebenfalls gut nutzen.“

Kolkschutz rund um die Brückenpfeiler

Bis zu acht Meter mehr Platz soll die Alz in der Pechlerau bekommen. Um das zu erreichen, werden zudem die Steine rund um zwei der Eisenbahnbrückenpfeiler weitgehend verschwinden, heißt es in der Baubeschreibung der Behörde. „Diese haben sich vor allem am Mittelpfeiler angelagert und bilden eine Art Insel im Wasser. Damit fehlt der Alz aber Platz, ihre Strömung wird eher nach links gedrückt.“ Das wiederum führe dazu, dass sich der Fluss an dieser Stelle eintieft. „Die Kraft des Wassers könnte das Fundament des Pfeilers unterspülen“, beschreibt Philipp das Risiko. Ziel sei es, einige wenige Steine in einem Verbund rund um den Pfeiler anzuordnen. „Dieser Kolkschutz verhindert das Eintiefen des Flusses am Brückenpfeiler.“ Die übrigen Steine nutze man an anderer Stelle – etwa für Strukturmaßnahmen in der Alz. „So werden die Arbeiter am Außenufer des Flusses nahe der Saliterau aus Wasserbausteinen sechs aufeinanderfolgende Buhnen anlegen, die bis etwa in die Mitte des Gewässers reichen. Sie sollen die Strömung weiter in die Flussmitte verlagern und die Gewässerstruktur verbessern.“

Die aufwendige Baumaßnahme dient laut Wasserwirtschaftsamt dem Schutz der Pechlerau und Saliterau vor einem 100-jährlichen Hochwasser – zuzüglich 15 Prozent Klimazuschlag. „Die Anlagen halten also selbst dann stand, wenn die Alz mehr Wasser führen sollte, als für ein 100-jährliches Hochwasser berechnet ist.“ Zum Konzept gehören neben Uferaufweitung und Flächenansenkung auch geländemodellierte Ufermauern auf beiden Seiten.

Zweiter Bauabschnitt mit Ufermauern ab Herbst

Diese sollen in einem zweiten Bauabschnitt entstehen, der voraussichtlich im Herbst beginnt. Sinnvoll ergänzt werde der Hochwasserschutz durch gewässerökologischen Maßnahmen in und an der Alz zwischen Altenmarkt und Wajon. „Neue Strömungsverhältnisse und Rückzugsmöglichkeiten im Wasser schaffen bessere Lebensbedingungen für Amphibien, Fische und Wasservögel.“ Und: Alle bautechnischen und ökologischen Maßnahmen seien eng mit der Stadt und dem Fischereiverein Trostberg, den SKW-Fischern sowie der privaten Pächtergemeinschaft ,Die Alzfischer‘ abgestimmt.