Kühtai in Tirol: Auf dem Höhepunkt

01.02.2013 | Stand 01.02.2013, 14:00 Uhr

Dem Himmel so nah: Fährt man von Kühtai mit der Dreiseenbahn auf 2410 Meter nach oben, eröffnet sich dem Skifahrer ein grandioser Fernblick. Durch die enorme Höhe des Skigebiets ist es hier auch bis April noch schneesicher − dafür dauert das Frühstücksei allerdings ein paar Minuten länger.  − Fotos: Jennifer Jahns

1400 Höhenmeter liegen jetzt vor ihm. Hinter ihm ein Tag in Innsbruck: ein Gang ins Café, die Bäckerei, einen Pullover gekauft, den er gar nicht braucht, Geschäftliches erledigt. Christian Graf zu Stolberg-Stolberg freut sich jetzt aber auch, die Stadt wieder hinter sich zu lassen. "Ich bin immer froh, wenn ich wieder hinauf in mein Kühtai kann", sagt der 60-Jährige. Auf 2020 Metern liegt "sein" Kühtai. Es ist der höchstgelegene Wintersportort Österreichs und der Geburtsort des Grafen. Heute lebt er sieben Monate im Jahr hier in Tirol, den Sommer über lebt er in Salzburg. Kühtai hat im Sommer nur sieben Einwohner, das ändert sich schlagartig, wenn die Wintersaison beginnt. Dann füllen sich die 1700 Betten der Hotels, aus denen Kühtai fast ausschließlich besteht, mit Gästen und Personal.

Aber Trubel gibt es fast nie: Wer hierherkommt, findet Ruhe und Abgeschiedenheit, eine halbe Autostunde von Innsbruck entfernt. Après-Ski, Hüttengaudi und DJ-Ötzi-Beschallung sucht man in Kühtai vergebens. Zwölf Lifte, allesamt fußläufig von den Hotels zu erreichen, sind bestens für Familien mit Kindern und Einsteiger geeignet. Jedoch gibt es mit dem Gaiskogel und der schon aussagekräftigen Hohe-Mut-Bahn auch schwarze Pisten für geübte Fahrer.

Trotz der zahlreichen Lifte mutet dem Dorf aber eine angenehme Langsamkeit und gewisse Beschaulichkeit an, die sich so in anderen Skiorten kaum finden lässt.

Seinen Beitrag zu dieser entspannten Form des Tourismus leistet Graf Stolberg-Stolberg. "Wem es um Pistenkilometer und Tempobolzen geht, ist hier falsch", sagt der Adlige, der als ehemaliger Ortssprecher und Großgrundbesitzer erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Wintersportortes hatte und immer noch hat. Er setzt auf qualitätsvollen Tourismus in Kühtai. Geht es nach ihm, soll das Bestehende besser werden und nicht mehr dazukommen.

"Nach Kühtai kommen anspruchsvolle Gäste", sagt der Graf. "Ich bin sehr froh, dass hier im Ort keine laute Musik gespielt wird und der Alkohol nicht in Strömen fließt. Wir wollen hier oben auch keine Reisebusse. Kühtai ist eine Marke, aber immer noch ein Geheimtipp. Darauf sind wir stolz." Auch auf der Terrasse des Jagdschlosses, so heißt das Hotel, das der Graf betreibt, herrscht angenehme Ruhe. Von der Sonnenterrasse aus öffnet sich ein Panoramablick auf die umliegenden Hänge der Hohe-Mut-Bahn oder der Dreiseenbahn. Auch die Sprünge der Snowboarder in einer perfekt präparierten Halfpipe ziehen die Blicke der Cappuccino-Trinker auf sich. "Für mich ist das immer wie Kino", sagt Graf Stolberg-Stolberg.

Die Jagdresidenz von Kaiser Franz JosefDas Jagdschloss ist das älteste Gebäude im Ort. 1280 wird es erstmalig erwähnt, und nach einer wechselvollen Geschichte kaufte es 1893 Kaiser Franz Josef und machte es zu seiner Jagdresidenz. 1952 revitalisierte der Urenkel des Kaisers und der Kaiserin Sisi, Karl Graf zu Stolberg-Stolberg, das Anwesen und gestaltete es zum heutigen Jagdschloss Kühtai um. Mittlerweile ist mit Christian Graf zu Stolberg-Stolberg die nächste Generation bemüht, das Haus lebendig zu halten. Mit zahlreichen privaten Bildern erinnert der Graf an seine Vorfahren. Mit Zirbenholz, Antiquitäten aus dem 17. Jahrhundert und knarzenden Dielen strahlt das Haus eine unkomplizierte Gemütlichkeit aus. "Ich kaufe nichts Neues", erklärt der Graf, der sich nicht nur um eine stimmige Inneneinrichtung bemüht, sondern sich auch um die sportlichen Aktivitäten seiner Gäste höchstpersönlich kümmert. So lädt er gerne zum Eisstockschießen bei Glühwein und Lagerfeuer ein.

Trotz der Überschaubarkeit im schneesicheren Kühtai gibt es zahlreiche Wintersportmöglichkeiten: Skitourengehen, Schneeschuhwandern, Langlaufen, Schlittschuhlaufen oder Rodeln. Letzteres lässt sich auch abends ausprobieren, da die gut einen Kilometer lange Rodelbahn dann beleuchtet ist. Beim Ziehen des Schlittens − und auch bei den anderen sportlichen Betätigungen − kann man aufgrund der Höhenlage mit ihrem geringeren Sauerstoffgehalt allerdings leicht aus der Puste kommen. Auch auf den Schlaf kann sich die Höhenlage auswirken. Doch wenn man sich erst einmal daran gewöhnt habe, wirke die Luft sehr positiv auf den Organismus, meinen die Ortsansässigen.

Höhenluft wirkt vitalisierendAuf den vitalisierenden Effekt der Luft schwören auch etliche Prominente, die im Kühtaier Jagdschloss ein- und ausgehen. Hochadel, Geldadel, TV-Sternchen und so manche Politiker haben sich schon dort eingemietet. Wie Graf Stolberg-Stolberg sagt, würden aber alle Gäste gleich behandelt.

"Und wenn sich jemand absolut danebenbenimmt und etwa mein Personal unverschämt behandelt, dann muss er gehen, egal, welchen Status er besitzt." Ein paar Mal sei das schon vorgekommen. Als Geschäftsführer, Besitzer und gute Seele des Hauses will der Graf rund um die Uhr präsent und ansprechbar für alle sein.

Für die touristische Weiterentwicklung der Kühtaier Region und den Erhalt des historischen Anwesens seiner Familie zahlte der Graf indes einen hohen Preis: Zwei Ehen konnten der besonderen Herausforderung eines Lebens im abgeschiedenen Bergdorf nicht standhalten. Der fünffache Vater zeigt Verständnis: "Für Frauen ist das Leben hier oben nicht leicht. Es gibt kaum eine Abwechslung." Und fügt an: "Aber ich kann es nicht ändern. Ich bin eben mit diesem Haus verheiratet."

INFO Anreisen: Mit dem Auto etwa vier Stunden von Passau nach Kühtai. Anreise auch mit Bahn bis Innsbruck und Bus möglich.

 Übernachten: Im Jagdschloss Kühtai kosten beispielsweise drei Übernachtungen für zwei Erwachsene und zwei Kinder inklusive Halbpension und Zwei-Tages-Skipass ab 890 Euro in der Hauptsaison und 740 Euro in der Nebensaison,  0043/(0)5239/5201 und www.jagdschloss.at.

 Skifahren: Der Skipass gilt für die Pisten in Kühtai sowie für die Skiregion Hochoetz; insgesamt 24 Lifte und 85 Pistenkilometer, drei Skiverleihe im Ort. An einigen Pisten gibt es an bestimmten Tagen Flutlichtfahren. Sehr kurze bis gar keine Wartezeiten an den Liften.

 Tipp: Auch ein Besuch im Iglu-Village direkt im Ort ist möglich, www.iglu-village.at.

Mirja-Leena Klein und Jennifer Jahns arbeiten als Redakteurinnen bei der Passauer Neuen Presse.