Stubai trotzt dem Sturm mit neuer Seilbahn

16.12.2016 | Stand 16.12.2016, 20:00 Uhr

Schnell und stylisch an drei Seilen ins Skigebiet: Die neue 3S-Eisgratbahn überwindet in knapp elf Minuten Fahrzeit 1200 Höhenmeter. − F.: André Schönherr

Die längste Drei- Seil-Bergbahn (3S) der Alpen, mit 66 Millionen Euro Kosten auch die bislang teuerste in Österreich, soll die Zahl der windbedingten Schließtage am Stubaier Gletscher minimieren. Ein Ort über den schon gesungen wurde: Am Freitog auf d’ Nocht montier’ i die Schi auf mei Auto, und donn begib’ i mi ins Stubaitoi... Mit der Eingangsstrophe seiner Brettl-Ode "Schifoan" hat Austria-Barde Wolfgang Ambros nicht nur Glühwein trunkene und Jagatee selige Après-Kohorten mit einem eingängigen Gröhl-Hymnus samt rhythmischem Skistiefel-Stampfrefrain beglückt, sondern auch Österreichs größtem Gletscher-Skigebiet, dem Stubaital eben, mit einem zeitlosen Ohrwurm ein Denkmal gesetzt.

Mit einem – angesichts unserer schnelllebigen Zeit zumindest für den Augenblick – technischen Alleinstellungsmerkmal schmücken seit dieser Saison die Stubaier Gletscherbahnen ihr "Königreich des Schnees": der längsten Dreiseil-Umlaufbahn im gesamten Alpenraum, in die das Unternehmen überdies so viel Geld investiert hat wie noch nie jemand zuvor in der Geschichte der Alpenrepublik. Mit rund 66 Millionen Euro beziffert Seilbahn-Direktor Andreas Kleinlercher das Projektvolumen der neuen 3S-Eisgratbahn.

Aus heiteremHimmel FöhnsturmDafür hat das Südtiroler Unternehmen Leitner Ropeways den Nordtiroler Landsleuten eine 4,7 Kilometer lange Liftanlage mit Nobel-Godeln aus dem Studio der italienischen Design-Ikone Pininfarina ins hochalpine, weit über 3000 Meter aufragende Massiv nördlich von Tirols Metropole Innsbruck eingepasst. Nicht nur, "weil die alte Bahn nach 43 Jahren am Ende ihrer Kräfte gewesen ist", wie es Kleinlercher im Gespräch mit der PNP in einer Prosa ausdrückt, als ob er von einem betagten Menschen sprechen würde, sondern auch, um einen Risikofaktor zu minimieren, den auf Schneehöhen fixierte Skifahrer in der Regel nicht auf dem Schirm haben bei ihrem Freizeitvergnügen: Wind in Sturmstärke.

"Ein großes Kriterium am Gletscher ist die Windstabilität der Anlagen", verdeutlicht der 53-jährige Diplom-Ingenieur. "Immer wieder gab es die Konstellation, dass wir am Vormittag tolle Bedingungen zum Skifahren hatten und das Wetter gepasst hat. Aber unvermittelt kam ein Föhnsturm auf mit Windgeschwindigkeiten von 100 km/h und mehr." Eine Einseil-Umlaufbahn (EUB) wie die "alte Dame" sei da überfordert, ebenso eine Zweiseil-Umlaufbahn. "Wir haben uns folglich für die Drei-Seil-Technologie, kurz 3S, entschieden", erläutert Kleinlercher, "zwei Tragseile in Kombination mit einem Zugseil gewährleisten größtmögliche Windstabilität".

In Zahlen ausgedrückt: Bei 130 km/h ist früher absolut Schluss gewesen, zum Leidwesen von Technikern wie Betriebswirten auch dann, wenn auf dem Gletscher selbst noch annehmbare Bedingungen herrschten – aber eben der Transport hinauf aus dem Tal sich als Achilles-Ferse entpuppt hat. "Mit der neuen 3S-Bahn können wir selbst bei 130 km/h Windgeschwindigkeit noch die höchstmögliche Geschwindigkeit von sieben Meter pro Sekunde, also 25 km/h, aufrecht erhalten", vermeldet Kleinlercher. "Einmal hatten wir heuer schon 180 km/h. Auch unter diesen Bedingungen hätten wir die 3S-Bahn noch mit vier Meter pro Sekunde laufen lassen können." Technisch machbar, allerdings nicht sinnvoll, wie der Seilbahn-Direktor einräumt: "Wir haben an jenem Tag dennoch das Skigebiet geschlossen, denn bei diesen Windstärken kommen einem die Pistenmarkierungen quer entgegen geflogen. Das ist kein Spaß mehr!"

Zwölf bis 15 Schließtage haben in der Vergangenheit aufgrund der Wetterunbilden zu Buche geschlagen, bei im Schnitt rund 5000 Tagesgästen ein beträchtlicher Schlag ins Kontor für die Hüter der Gletscherbahn-Bilanzen. Eine Million bis eineinhalb Millionen Euro sind dadurch alljährlich buchstäblich vom Winde verweht worden. Ganz sei man freilich selbst mit der 66 Millionen-Euro-Investition nicht vor den Naturgewalten gefeit, räumt Andreas Kleinlercher ein, "wir sind aber optimistisch, die Ausfalltage auf die Hälfte zu reduzieren".

50 Prozent wenigerAusfalltage erwartetErfahrungen aus der noch kurzen Saison befeuern diesen Optimismus: "Drei Mal schon konnten wir heuer den Skibetrieb am Gletscher aufrecht erhalten bei Bedingungen, unter denen das früher nicht möglich gewesen wäre!"

Der Seilbahn-Direktor ist, bei allem Stolz auf das Baby, das die alte Dame beerbt hat, Realist genug, dass sich die enorme Investition damit natürlich noch nicht rechnet. "Aber die Technik hat sich schon bewährt", das erfüllt den Chef-Ingenieur sichtlich mit Genugtuung. Die Kollegen Buchhalter müssen bis zur Refinanzierung der Mammut-Ausgabe freilich noch ein paar Jährchen auf die Magie von Ambros’ "Schifoan"-Hymne vertrauen.

INFORMATIONEN

ANREISENDas Stubaital "zweigt" vor der Mautstelle Schönberg der Brenner-Autobahn in südwestlicher Richtung vom Wipp-Tal ab. Aus Ostbayern (zum Beispiel Eggenfelden) sind es bis zur Talstation der 3S-Eisgratbahn etwa 250 Kilometer. Für die Anfahrt sind mit der Zehn-Tage-Vignette für 8,90 Euro und sechs Euro Maut für die Strecke Innsbruck-Schönberg-Innsbruck zu kalkulieren.


ÜBERNACHTEN
Hotel Serles (****), Dorfstraße 58, A-6142 Mieders (0043/5225/62790), www.serles.at, E-Mail an office@serles.at

SKIGEBIET35 Abfahrten zwischen 3210 und 1750 Meter Meereshöhe; 26 Seilbahnen und Lifte, darunter die neue 3S-Eisgratbahn mit Kabinen mit Ledersitzen, Panoramascheiben und (funktionierendem!) kostenlosen WLAN, die das weltbekannte italienische Designstudio Pininfarina entworfen hat; Fahrtdauer von 1700 auf 2900 Meter Seehöhe: knapp elf Minuten; Kapazität: 3000 Personen (statt 1500 bei der Vorgängerbahn).

SKIPASSDer Tagesskipass kostet im Winter 2016/17 für Erwachsene 46 Euro, für Jugendliche von 15 bis 18 Jahren 29,90 Euro, für Kinder von 10 bis 14 Jahren 23 Euro; Kinder unter zehn Jahren in Begleitung eines zahlenden Elternteils sind frei.

EVENTS 13./14. Januar: Gourmetnacht Dine & Wine im höchstgelegenen Gault-Millau-Restaurant der Alpen, dem "Schaufelspitz" an der Bergstation 3S-Eisgratbahn

17./24. Februar: GAIA – Stubai Mutter Erde (Multimedia-Spektakel mit Ski, Tanz, Musik und Show)

www.stubai.atwww.stubaier-gletscher.com

Ulrich Berger, Redakteur der Passauer Neuen Presse, recherchierte auf Einladung des Tourismusverbandes Stubai Tirol und hätte angesichts des technischen Wunderwerks 3S-Eisgratbahn sein Faible fürs Skilaufen beinahe hintangestellt.