Ungarns unendliche Weite mitten in Europa

03.06.2016 | Stand 03.06.2016, 17:06 Uhr

Die ungarische Puszta ist mit ihrer weiten Steppenlandschaft einzigartig in Europa und gehört seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe. − Fotos: Löw

Die ungarische Puszta ist jetzt ein ganzes Stück näher. Nicht örtlich gesehen, aber zeitlich. In gut einer Stunde geht es seit April im Direktflug vom Münchner Flughafen über 753 Kilometer Luftlinie nach Debrecen, dem Tor zur unendlichen Weite der ostungarischen Puszta.

Dreharbeiten? "Die wollen wohl filmen, wie bei uns das Gras wächst!?" Ungläubig belächelten die Ungarn in den 1950er Jahren die Filmteams, die angerückt waren, um den damaligen Schauspielstars eine Kulisse zu bieten. Aber Piroschka, die Weite der Puszta, die Ziehbrunnen im Sonnenuntergang mit Rinderherden und Pferdegalopp − das ist nicht nur ein Klischee. Das gibt es auch heute noch. Nach 20 Minuten Autofahrt, 35 Kilometer hinter Ungarns zweitgrößter Stadt Debrecen, fühlt man sich tatsächlich wie in einer Filmkulisse. Und doch ist alles ganz real.

Wir sind im Nationalpark Hortobágy. Kein Wunder, dass diese Region mit ihrer außergewöhnlichen Hirtenkultur seit 1999 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Wer mit dem Safari-Jeep in den Bereich "B" des 82000 Hektar großen Nationalparks einfahren darf, der findet sich wieder inmitten von Pferdeherden, domestizierten Auerochsen, Graurindern und einem Vogelparadies. Hier ist Kristin Brabender, eigentlich aus Köln stammend, in ihrem Element. Mit dem Fernglas hält sie Ausschau nach "ihren" Tieren und entdeckt das Fohlen, das offenbar in der vergangenen Nacht auf die Welt gekommen sein muss. Die Kölnerin lebt seit 2006 in Ungarn, leitet heute den Wildpark, den es seit 2011 gibt und den sie mit aufgebaut hat.

Die Debreziner ist dicker und kürzerEr passt ins Konzept der Region: Man setzt auf Familientourismus, auch im nahen Debrecen, mit "nur" 220000 Einwohnern hinter der Hauptstadt Budapest die zweitgrößte Stadt in Ungarn und quasi das Tor zur Puszta. Und nicht nur das. Die Debreziner sind bekannt − tatsächlich kommt auch genau diese Wurstspezialität aus dieser Stadt. Aber nicht dünn und lang oder extrem scharf wie man sie in Deutschland kennt. Hier sind die "Debreziner Würste" etwas dicker, dafür kürzer und meist nur mäßig scharf, aber ebenso gehaltvoll, was den Fettanteil angeht.

Dass das traditionell deftige Essen, jedoch modern interpretiert und mit besten Zutaten direkt aus der Region höchsten Ansprüchen gerecht werden kann, auch dafür steht Debrecen. Zahlreiche nationale Spitzenköche kommen aus dieser Stadt.

Fehlt noch das Thermalwasser auf der Positiv-Liste von Debrecen. Tatsächlich zieht sich in der Stadt das Wasser wie ein roter − oder besser blauer − Faden durch sämtliche Bereiche. In den vergangenen drei bis vier Jahren wurde hier kräftig investiert, auf dem Weg durch die Stadt ist alles runderneuert: Der "Froschteich" − alles andere als der Name vermuten lässt − ist eingebettet zwischen Thermalbadezentrum mit Südsee-Badetempel und Saunalandschaft gleich neben dem Großwald, einem 18 Hektar großen, wild wachsenden Laubwald mitten in der Stadt. Schwammerlsuche ebenso inklusive wie moderne Kunst und Skulpturenpark, Freilichtbühne, 18 Meter hohe Wasserfontänen beim Springbrunnen mit Laserbeleuchtung in lauen Sommernächten. Dazu der "Wasserturm", von dem aus man in 34 Metern Höhe einen Panoramablick auf die Stadt hat, mit dem ebenfalls neu gebauten Stadion gleich nebenan. 20000 Leute fasst es und ist nicht nur beim großen Blumenkarneval am 20. August gefüllt, zu dem sich jedes Jahr die Einwohnerzahl von Debrecen angesichts der vielen Besucher verdoppelt. Dazu gibt es rund um Debrecen 80 Kilometer Radwege − unangestrengt flach wie es eben die Puszta-Landschaft zu bieten hat.

Medizinische Fakultät bekanntAber auch Altes hat Debrecen zu bieten. Sei es die Universität, die auf eine jahrhundertelange protestantische Geschichte blickt und seit dem Jahr 1912 vor allem Mediziner und Geisteswissenschaftler ausbildet, oder sei es die Reformierte Großkirche, erstmals 1297 erbaut, mehrmals niedergebrannt, wieder aufgebaut und in ihrer heutigen Form zwischen 1805 und 1827 errichtet. Der Aufstieg auf die beiden Türme lohnt sich, der Blick auf das Panorama der Innenstadt von Debrecen ist beeindruckend.

Nicht weniger Eindruck hinterlässt der Besuch bei den Pferden in der Puszta. Edel stehen die über 220 Tiere da in ihren gepflegten Stallungen des Gestüts Máta in Hortobágy. Sie gehören genauso zur Puszta wie die Graurinder mit ihren langen Hörnern oder die Kraniche, deren Sammelpunkt auf dem Weg in den Süden alljährlich die Puszta ist. Überhaupt ist Europas weitestes Steppengebiet auch für Vogelforscher ein ergiebiges Terrain.

Hirten, Reiter, Peitschenschwinger und traditionelle Handwerker − wer nach der Safari im Wildpark dann in einem der traditionellen Czárdás-Wirtshäuser einkehrt wie einst die Reiter auf ihrem Weg durch die Puszta, der sollte sich am besten nicht nur an die Debreziner Wurst halten: Auch die Fleischpalatschinken aus Hühnerhackfleisch, Sauerrahm und Paprikasoße sind nicht nur traditionell, sondern schmecken lecker.

INFORMATIONEN

Debrecen liegt im Osten Ungarns unweit der rumänischen Grenze. Die gut 200000 Einwohner der Stadt bezeichnen sich heute noch mit dem mittelalterlichen Begriff "Civis".

ANREISEN

Die Lufthansa fliegt montags, mittwochs und freitags um 7.30 Uhr von München nach Debrecen und wieder zurück.

ÜBERNACHTEN

Thermalhotel Aquaticum mit Südsee-Badetempel inklusive, www.aquaticum.hu/de.

Im Gasthof Zur Alten Post war 1714 schon der schwedische König zu Gast. Die Zimmer sind nach Mottos eingerichtet, etwa mit Übernachtung im Planwagen à la Wilder Westen, www.regiposta.hu/gasthof-zur-alten-post.html.

SEHENSWÜRDIGKEITEN

Nationalpark Hortobágy, Gelegenheit zur Pusztasafari. www.hnp.hu/en/szervezeti-egyseg/tourism/oldal/hortobagy-wild-animal-park.

Reformierte Großkirche in Debrecen mit dem Reformierten Kollegium und der historischen Bibliothek mit über 600000 Büchern. www.reformatuskollegium.ttre.hu. Auch ein Abstecher in die "Chefakademie" lohnt sich. www.sefakademia.hu.

Vor allem für Kinder ist das Agóra Wissenschaftliche Erlebniszentrum sehenswert: Hier wird Physik zum Mitmachen geboten. www.agoradebrecen.hu/de.

Die Universität Debrecen ist mit 30000 Studenten eine der bedeutendsten Hochschulen Ungarns, allein das Gebäude ist einen Besuch wert. www.unideb.hu/portal/en.

ESSEN

Cut and Coffee: Hier wird der Kaffee selbst geröstet. www.facebook.com/cutandcoffee.

Ikon Restaurant: regionale Küche auf Gourmet-Niveau zum Bestpreis. www.ikonrestaurant.com/home.

www.ungarn-tourismus.de

www.gotodebrecen.com

PNP-Redakteurin Doris Löw reiste auf Einladung des Ungarischen Tourismusamtes nach Debrecen.