Altes Handwerk in Venedig: Der Masken-Maestro

29.01.2016 | Stand 29.01.2016, 12:17 Uhr

Im Maskengeschäft "Tragicomica" stapeln sich unzählige Masken.

Mit dem Karneval wurde Ende der 1970er Jahre in Venedig das Kunsthandwerk der Maskenmacher wiederbelebt. Ein Besuch im Atelier von Gualtiero dall’Osto.

In Venedig war es nicht anders als in anderen Städten von überschaubarer Größe. Jeder kannte jeden. Und jeder wusste eigentlich viel zu viel über jeden. Eine Maskierung drängte sich da förmlich auf. Nicht nur im Theater oder an den Karnevalstagen, durch die die venezianischen Masken im 17., 18. Jahrhundert berühmt wurden, sondern das ganze Jahr über – beim Glücksspiel genauso wie bei geheimen Liebesgeschichten.

"Man konnte die Affären ausleben und sogar mit der Geliebten ins Theater gehen, ohne öffentlich erkannt zu werden", sagt Guiliana Cendelu, die heute im Maskengeschäft "Tragicomica" steht, das sich in einer Gasse im Stadtteil Dorsoduro befindet. "Tragicomica" gehört zu den wenigen Ateliers in Venedig, die noch auf traditionelle Weise herstellen. Die Nachfrage dafür ist immer noch da: Die Masken trägt man beim Karneval, der in diesem Jahr am 7. Februar seinen Höhepunkt erreicht. Vor allem aber sind sie das ganze Jahr über beliebte Mitbringsel für Touristen. Vor ein paar Jahrhunderten gehörten die Masken-Geschäfte, so Cendelu, zu Venedig wie die Gondeln und prächtigen Palazzi entlang des Canal Grande. Ende des 18. Jahrhunderts, als die Markusrepublik ihre Selbständigkeit verlor, erlebte jedoch auch der prunkvolle Karneval seinen Niedergang – und mit ihm die Maskenmacher. Erst Ende der 1970er wurde die Tradition unter anderem vom legendären Filmregisseur Federico Fellini und dem damaligen Biennale-Leiter wiederbelebt. Damals öffnete Gualtiero dall’Osto, der sich selber Walter nennt, auch sein "Tragicomica".

Heute stapeln sich in seinem Laden unzählige Masken. In den unterschiedlichsten, meist klassischen Formen blicken sie von den Wänden und hängen selbst an der Decke: Es gibt den Harlekin, La Tragica, die Traurige, und La Comica, die Lachende. Und den Pestdoktor mit dem langen, spitzen Schnabel. Die Bauta-Maske wurde vor allem im 18. Jahrhundert in Gesellschaft getragen, um anonym zu sein. Am Kinn ragt sie nach vorn, so dass man auch damit essen und sprechen kann. Zusammen mit dem Zendale genannten Umhang und einem Dreispitzhut war man ganz verdeckt.

Die Lamoretta hingegen ist eine stumme Maske für Frauen – schwarz und innen mit einem kleinen Knauf. "Damit musste man sie mit dem Mund festhalten", erklärt Cendelu. "Sie wurde unter anderem von Dienerinnen benutzt, die auf dem Markt so zwar Klatsch und Tratsch hören, jedoch nichts selber erzählen konnten." Auf dem Karneval aber trugen auch Frauen sie, damit ihre Stimme nicht zu erkennen war. Die Preise für die Maske variieren heute stark. Ab ungefähr 25 Euro ist eine Bauta-Maske zu haben. Für das teuerste Stück hingegen muss man das Vierzigfache bezahlen: Der Teufel, schwarz und mit wallender Mähne, kostet um die 2000 Euro und wiegt sechs bis sieben Kilo.

Der Masken-Maestro, der all das federführend entwirft und herstellt, ist gerade in seinem Atelier. Selbst Promis schauen dort ab und zu vorbei. Im Hintergrund hängt ein Bild von Ben Stiller mit seinen Kindern. Jetzt wird gerade ein Workshop für Touristen vorbereitet. "Bei diesen Workshops kann man fertige Masken dekorieren", sagt Walter, Mitte 50 und mit grau-schwarzem Lockenkopf, bevor er die einzelnen Arbeitsschritte bei der Herstellung zeigt: Erst zeichnet er eine Skizze, dann formt er die Maske aus Ton. "Um diese Ton-Vorlage wird ein Rahmen gespannt, den ich mit Gips ausgieße", erklärt er. Wenn der Gips trocken ist, ist das Negativ fertig, mit dem schließlich die Maske aus Pappmaché hergestellt werden kann. Zum Schluss fehlen nur noch die Dekoration und Bemalung. "Federn, Gold, Silber – die Venezianer liebten immer schon das üppige Dekor", sagt er.

Walter kommt ursprünglich aus der Nähe von Vincenza und besuchte als Student in Venedig die Kunstakademie. 18 Jahre alt war er damals und wusste nichts über Masken und den venezianischen Karneval. "Das war zu der Zeit, als er wiederbelebt wurde – das war auch meine Initialzündung", erinnert er sich. "Ich war sofort fasziniert und habe in meinem Studium die Technik der Masken-Herstellung erlernt." Er arbeitet oft auch historische Masken nach.

Überhaupt nicht erfreut ist er über Masken "Made in China", die den Souvenirmarkt überspülen. "Das betrifft aber nicht nur Masken, es wird auch sonst viel zu viel Billigzeug angeboten." Er glaubt, das sei ein großer Schaden für die Stadt, weil das Kunsthandwerk so langsam verdrängt wird.



INFORMATIONEN

Venedig ist die Hauptstadt der Region Venetien im Nordosten Italiens und ein Touristenmagnet. Die Gesamtfläche der Lagunenstadt beträgt 414,6 Quadratkilometer, davon entfallen 257,7 Quadratkilometer auf Wasserflächen.

www.venedig.net

www.enit.de

ÜBERNACHTEN

Individuelle Apartments in unterschiedlichen Größen: www.mwz-online.com.

Das Hotel Antiche Figure in der Nähe des Piazzale Roma ist ein charmantes, klassisch eingerichtetes Mittelklassehotel zu bezahlbaren Preisen (Nacht ab 100 Euro): www.hotelantichefigure.it.

MASKEN-ATELIER

Mehr Informationen über Walters Masken-Atelier und die Workshops im Internet: www.tragicomica.it.

TIPP

Reisen nach Venedig unter anderem mit Besuch im "Tragicomica" bietet der Veranstalter SKR Reisen an. Fünf Tage "Höhepunkte der Serenissima" in kleinen Gruppen kosten ab 998 Euro, www.skr.de.

Sascha Rettig arbeitet als freier Journalist in Berlin. Die Reise hat er selber finanziert.