Portugal: Wilde Pferde im Märchenwald

18.09.2015 | Stand 18.09.2015, 10:35 Uhr

Mit viel Glück lassen sie sich blicken: wild lebende Pferde im Nationalpark Peneda-Gerês. − Fotos: Ulrich Willenberg

Es ist ein Bild wie aus vergangenen Zeiten. Kühe trotten am Abend gemütlich über die holprige Dorfstraße zu ihrem Stall. Schwarz gekleidete Frauen plaudern vor von Weinreben umrankten Häusern, während sie Gemüse putzen. Pünktlich um sechs versammeln sich die Bewohner zur Abendmesse in der kleinen Kirche von Germil. Nur noch 48 vor allem alte Menschen leben in diesem typischen Dorf im Südwesten des portugiesischen Nationalparks Peneda-Gerês. Einige der Bauernhäuser aus Granitstein sind inzwischen verlassen und suchen nach einem Käufer. Der einzige Nationalpark Portugals mit seinen dichten Wäldern und tief eingeschnittenen Tälern ist ein Paradies für Naturfreunde und Wanderer. Zahlreiche Wege erschließen jeden Winkel des 700 Quadratkilometer großen, hufeisenförmigen Schutzgebietes, das sich über mehrere Klimazonen erstreckt.

Einer der schönsten Rundwege ist der Trilho Pertinho do Céu im Nordwesten des Nationalparks. Übersetzt heißt das "Weg nahe dem Himmel". Er führt durch einen Eichenhain hinauf zur Sommeralm Branda de Busgalinhas mit ihren einfachen Steinhütten. Der steile Anstieg auf über 1000 Meter wird belohnt mit einem traumhaften Panoramablick über die Berge des Parks.

Ein Ausgangspunkt für den Wanderweg ist Sao Bento de Cando, bekannt für seine religiösen Feste zu Ehren des heiligen Benedikt. In dem zwischen schroffen Granitfelsen eingebetteten Dörfchen oberhalb des Rio Grande leben einige Kleinbauern, die Schafe oder Kühe halten und etwas Gemüse in ihren Gärtchen anbauen. Es gibt auch ein winziges Lädchen mit einem sehr überschaubaren Angebot. Von jedem Produkt finden sich nur ein oder zwei Packungen im Regal.

Groß ist dagegen das Angebot im Kurort Gerês, dem ganz im Süden gelegenen touristischen Zentrum des Nationalparks. Hier gibt es zahlreiche Läden, Hotels und Restaurants, die üppige Mahlzeiten anbieten. Kalorien zählen sollte man bei der fleischlastigen und fettigen Küche Portugals nicht. Gegen Dickleibigkeit soll angeblich das Heilwasser der Thermalquellen helfen.

An sonnigen Sommerwochenenden wird es turbulent in Gerês. Autokolonnen wälzen sich über die kurvenreiche Straße von Braga hinauf in den von Bergen umrahmten Ort. Auf dem Stausee etwas unterhalb tummeln sich zahlreiche Wassersportler.

Vom Trubel in Gerês in die HochebeneRuhe findet man auf den zahlreichen Wanderwegen rund um Gerês. Wunderschön ist der einige Kilometer nördlich verlaufende Trilho Da Geira. Er führt durch einen traumhaften Märchenwald mit von Flechten und Moos überwucherten Eichen sowie Eschen, Erlen und Weiden. Der Pfad folgt einer von Meilensteinen gesäumten Heerstraße der Römer, der die Stadt Braga mit dem nordspanischen Asturien verband. Reißende Bäche wie der glasklare Rio Homem durchziehen den Urwald und ergießen sich über Wasserfälle in steinerne Schwimmbecken. Eine willkommene Abkühlung an heißen Tagen.

Wer Glück hat, begegnet einer Herde von Garranos, die das ganze Jahr draußen leben. Diese kleinen Wildpferde sind zutraulich und wirken sehr ausgeglichen. "Man sollte sie aber nicht anfassen, dann treten sie aus", warnt Parkmitarbeiter Pedro. Nur von der Größe eines Ponys, können sie sich im meterhohen Farn vor Wölfen verstecken. Zwölf Rudel soll es im Nationalpark geben. "Die Raubtiere sind sehr scheu. Man bekommt sie nicht zu sehen", sagt Pedro.

Der Tourismus konzentriert sich im Raum Gerês, nur wenige Urlauber fahren in den einsamen Nordosten des Schutzgebietes. Die Straße in Richtung spanische Grenze führt durch dichte, von kargen Berghängen überragte Wälder hinauf zur fast baumlosen Hochebene Alto do Ouroso. Vor allem bei Nebel fühlt man sich nach Schottland versetzt.

Eine schmale Nebenstraße endet in Portugals höchstem Dorf Pitoes das Júnias am Fuße einer oft von Wolken verhangenen, wild gezackten Felswand. An trüben Tagen könnte man in dem auf über 1100 Meter hoch gelegenen und düsteren Ort einen Psychothriller drehen. Am Rande führt ein herrlicher Rundweg zur Ruine des Klosters Santa Maria des Júnias, das Mönche an einem rauschenden Wildbach errichteten.

In der Nähe hütet Miguel seine kleine Rinderherde. Begleitet wird er von seinen drei Pastorales, einer kleinen Schäferhundrasse. Auf die schönen Tiere ist er sichtlich stolz. "Schaut, die habe ich gerade gefunden", sagt der freundliche Mann. Er hält die Haut einer über einen Meter langen Kobra in die Höhe und wirft sie dann auf die Ladefläche seines Jeeps. Die Hunde sind wenig begeistert und ziehen verängstigt den Schwanz ein. Viele Jahre hat Miguel in einem Schweizer Hotel gearbeitet, bis das Heimweh zu groß wurde.

Eher unfreiwillig zurückgekehrt ist der junge Ingenieur Carlos, nachdem er in der Stadt seine Arbeit verloren hatte. Jetzt hilft er in dem winzigen Dorfcafé aus, das seiner Mutter gehört. Die sitzt zusammen mit dem einzigen Gast vor dem Fernseher und häkelt. "Es kommen nur wenige Touristen hierher", erzählt der Sohn.

Etwa 140, vor allem ältere Menschen wohnen noch in Pitoes das Júnias. "Sie leben von der Hand in den Mund und von einem Tag zum anderen", erzählt Carlos. Das Klima ist rau hier oben, vor allem im Winter kann es recht ungemütlich werden. "Anfang des Jahres ist es sehr kalt, und es fällt Schnee", sagt er. Die meisten Jungen scheuen das einsame und entbehrungsreiche Leben und wandern ab, manche bis nach Afrika oder Südamerika. "Fast alle jungen Leute gehen weg", bedauert Carlos. Doch die Verbundenheit bleibt, viele verbringen zumindest ihren Sommerurlaub in der alten Heimat.

INFORMATIONEN

Der Nationalpark Peneda-Gerês, auch einfach als Gerês bekannt, ist der einzige Nationalpark Portugals und liegt in der Region Norte im Nordwesten des Landes.

ANREISEN

Flug nach Porto zum Beispiel mit Lufthansa. Weiter mit Mietwagen. In etwa drei Stunden erreicht man den Kurort Gerês im Süden des Nationalparks.

REISEZEIT

Zum Wandern eignen sich besonders Frühjahr und Herbst. Auch der Winter ist reizvoll. In höheren Lagen fällt Schnee. Im Hochsommer kann es sehr heiß werden. Vor allem an Wochenenden sollte man in dieser Zeit die Region um Gerês meiden.

ÜBERNACHTEN

Kurhotel Águas do Gerês, im Zentrum gelegen, Doppelzimmer für ca. 70 Euro; www.aguasdogeres.pt. Casa Real Danaia, schönes Ferienhaus im Dorf Germil, etwa eine Stunde von Gerês entfernt, buchbar etwa bei www.booking. com, eine Woche 455 Euro.

VERANSTALTER

Wikinger Reisen bietet eine geführte Wanderreise in Nordportugal an, die auch in den Nationalpark führt, 02331/904743, www.wikinger.de.

www.visitportugal.de

www.visitgeres.com

www.adere-pg.pt