Das Schiff ist der Star

08.08.2014 | Stand 08.08.2014, 16:15 Uhr

Auf dem größten Segelschiff der Welt lässt sich angenehm individuell durch die Weltmeere touren. Die Royal Clipper steuert problemlos auch kleinere Häfen und Buchten an. − Fotos: Christian Karl

Der Weg ist das Ziel, das hat Konfuzius mal vor Hunderten von Jahren gesagt und damit wohl auch gemeint, dass man auf dem Weg von da nach dort auch mal einen Meter rechts und links schauen soll. Dumm nur, wenn der rund 1400 Kilometer lange Weg inmitten von viel Wasser liegt. Langeweile oder gar Enttäuschung kommt aber wohl bei keinem der mehr als 200 Reisenden auf dem Fünfmaster Royal Clipper auf. Sie sind auf dem größten Segelschiff der Welt, das tagtäglich die schönsten Fleckchen ansteuert, vor denen man im Mittelmeer, im Atlantik, der Karibik oder auch in der Ostsee ankern kann.

Der ältere Herr, der vor dem Ablegen auf dem Sonnendeck schlendert, will eines der letzten Geheimnisse der Menschheit ergründen – und er möchte es stilvoll tun. Der Eingang zum Mittelpunkt der Erde soll auf Stromboli, einer der Äolischen Inseln nahe der Stiefelspitze Italiens, sein. Und der auf deutlich über 70 Lebensjahre geschätzte Deutsch-Amerikaner möchte dieses im Buch von Jules Verne beschriebene Mirakel auf dem Seeweg erfahren und erkunden. Der frühere Diplomat und Duzfreund von US-Politlegende Henry Kissinger (91) hat schon einiges auf der Welt gesehen, wie man im Small Talk schnell heraushört. Aber dieses Insel-Ziel im Mittelmeer und der Weg dorthin soll für den gebürtigen Franken noch mal was Besonderes werden. Deswegen hat der New Yorker das ungewöhnliche fünfmastige Transportmittel gewählt, das bei seiner Tour nach der italienischen Amalfi-Küste und Sizilien auch die Vulkaninsel Stromboli ansteuert.

Das Besondere, das Nichtalltägliche, das Authentische – das suchen wohl die meisten der Passagiere aus aller Welt, wenn sie – egal, auf welcher der vielen Touren und Routen – an Bord der Royal Clipper gehen. Und sie tun es offenbar immer wieder gerne. "Sechzig Prozent unserer Gäste sind Wiederholungstäter", sagt Kapitän Sergey Utitsyn stolz mit Blick auf sein imposantes 134 Meter langes und mit 42 Segeln ausgestattetes Schiff, das er respektvoll und im Gespräch immer wieder als "Lady" bezeichnet.

Bei Flaute kommen die Motoren zum EinsatzDer Fünfmaster ist ein im Jahr 2000 gefertigter Nachbau der legendären "Preußen" (1902 bis 1910). 5200 Quadratmeter Segelfläche helfen dabei, dem Schiff Vortrieb zu verschaffen. In 114 Kabinen können bis zu 227 Gäste untergebracht werden. 106 Crewmitglieder kümmern sich auf den vier Decks um die Qualität des Schiffs ebenso wie um die Ansprüche der Gäste. Allein 13 Helfer sind für das Handling der Segel notwendig. Zwei 2500-PS-Motoren helfen, wenn Flauten die zahlreichen Touren auf Weltmeeren begleiten.

Und die Motoren kommen – zur Überraschung nicht weniger Passagiere – auch regelmäßig zum Einsatz. "Wir müssen einen Fahrplan einhalten, und das geht nicht nur mit Segeln", sagt der Kapitän. Rund 18 Knoten, also etwa 33 Kilometer pro Stunde, wären drin, wenn der Wind die Segel aufplustert. "Aber dann kommen die Leute zu mir, weil sie nichts mehr essen und nicht mehr lesen können, wenn sich das Schiff zur Seite neigt", sagt der Este und schmunzelt.

Dank der Motoren ist das Schiff dann laufruhig mit zwölf Knoten unterwegs. Aber wenn auch nur ein ausreichender Teil der Segel gesetzt ist und das Schiff – meist bei Sonnenuntergang – in das offene Meer hinausfährt, bleiben niemand an Bord unbeeindruckt.

Reeder Mikael Krafft hat sich dieses Szenario gewünscht, als er in den 1990er Jahren mit seinen zwei viermastigen baugleichen Schwesterschiffen Star Clipper und Star Flyer und 2000 mit der noch größeren Royal Clipper eine neue Art des entschleunigenden Kreuzfahrens schuf. Dem Vernehmen nach plant der idealistische Schwede derzeit eine noch größere Variante.

Aber auch Kapitän Sergey Utitsyn gefällt die Inszenierung, wenn seine Lady aus Häfen und Buchten dieser Welt ausläuft. "Ich mag es. Es ist sehr emotional", sagt der 55-Jährige, der das Schiff und seine Multikulti-Crew seit mehr als zehn Jahren befehligt.

"Wir sind mehr eine große Jacht als ein Kreuzfahrtschiff", sagt Utitsyn mit Blick auf das fast familiäre Gebaren auf dem Segler, der in der Lage ist, auch kleinere und idyllischere Buchten und Häfen anzusteuern als die hochmotorisierten und mehrstöckigen Mega-Pötte der internationalen Kreuzfahrt-Flotte. "Die Nähe zur Mannschaft ist hier eine andere", sagt der Kapitän, der sich selbst auch gerne über die Schulter schauen lässt, wenn er morgens mit einem Pott Kaffee in der Hand an der Außenbrücke Kommandos gibt.

Das Schiff ist wahrlich ein nicht alltäglicher moderner Klassiker, der sich deutlich unterscheidet von den Kreuzfahrt-Boomern, den in der Karibik und auch im Mittelmeer kreuzenden mehr als 300 Meter langen Riesen mit bis zu 6000 Reisenden drauf und vielerlei Schnickschnack wie Badelandschaften, Kletterwänden, Eislaufflächen, Großkinos, Lauf-Rundstrecken, Spielcasinos und Las-Vegas-Shows. Der gesellschaftliche Mittelpunkt auf der Royal Clipper ist allabendlich und bei Briefings an die Passagiere die zentrale Tropical Bar. Drei mehr oder weniger der Abfrischung dienende Planschbecken, Bibliothek, Pianobar, Fitnessraum und diverse Massageangebote sind auf der Royal Clipper die Alternativen, die den meisten Passagieren genügen. Ansonsten punktet bei vielen die Windjammer-Romantik. Ungetrübten Badespaß holen sich nicht wenige über die imposante Wassersport-Plattform am Heck, die nach dem Ankergang Zugang zu allen Weltmeeren verschafft.

Aber nicht nur ins Wasser, sondern vor allem auch an Land. Es gibt die Option, kleinere Buchten und Hafenanlagen anzusteuern, um an idyllischen Fleckchen an Land zu gehen. Ein Vorteil, den zum Beispiel gerade die Teilnehmer der Fahrten entlang der Amalfi-Küste, an der Insel Ponsa, rund um die kleinen Äolischen Inseln und am Rande von Sizilien zu schätzen wissen, wo wenige Meter von den Hafenmolen von Palmarola, Taormina oder Lipari haltgemacht wird.

"Viele andere in den Häfen beneiden uns""Ich will nie mehr auf einem anderen Schiff unterwegs sein. Im Hafen beneiden die anderen uns doch", sagt Debbie Reilly aus Florida. "Viele kommen wirklich wegen des Schiffs und weniger wegen der Strecke", sagt Kreuzfahrtdirektorin Lidija Jovic. "Wir haben viele Leute an Bord, die auch selbst segeln und das Individuelle und den lockeren Umgang an Bord zu schätzen wissen", weiß die Schweizerin aus vielen Gesprächen. Die Stimmung auf den vier Decks, wo T- und Polo-Shirts dominieren und allenfalls die lange Hose beim Abendmenü im Restaurant mit Sterne-Format so etwas wie Pflicht ist, ist angenehm leger.

Allesamt Annehmlichkeiten, die die Stammklientel offenbar zu schätzen weiß. Abwechslung bringt das umfangreiche Portfolio an Touren und Routen, die die Reederei im Angebot hat – von drei- und viertägigen Schnupperreisen im Mittelmeer bis zu Atlantiküberquerungen und fast einmonatigen Megareisen. Aber hier wie dort gilt: Der Weg ist sicher das Ziel, aber das Schiff ist wohl der Star.

INFOSchiffe: Zur dreiteiligen Flotte der Reederei Star Clippers gehören neben dem fünfmastigen Flaggschiff Royal Clipper (227 Passagiere, 106 Besatzungsmitglieder) auch die baugleichen viermastigen Schwesterschiffe Star Clipper und Star Flyer (je 170 Passagiere, 74 Besatzungsmitglieder).

Routen: Auf der Royal Clipper sind in naher Zukunft folgende Reisen buchbar: Schnuppertour Venedig−Venedig von 3. bis 6. September (drei Nächte inklusive Vollverpflegung in Doppel-Außenkabine ab 1000 Euro pro Person); Schnuppertour Rom−Rom via Korsika, Sardinien und Elba von 21. bis 25. Oktober (vier Nächte für 1205 Euro pro Person); Route Rom−Lissabon von 25. Oktober bis 6. November (zwölf Nächte in der Doppel-Außenkabine ab 3990 Euro pro Person); Ozeanüberquerung ab Civitavecchia/Rom bis Bridgetown/Barbados von 25. Oktober bis 22. November (28 Nächte mit Vollverpflegung in der Doppelkabine ab 6280 Euro pro Person).

Auskunft: Weitere Informationen über Routen in der Karibik, Ostsee und viele Mittelmeerstrecken unter 00800/78272547 und www.star-clippers.de.

Christian Karl, Redakteur der Passauer Neuen Presse, erkundete die Amalfi-Küste und Sizilien auf Einladung der Reederei Star Clippers und des Veranstalters Star Clippers Kreuzfahrten.