Durch Galicien auf der Route der Kamelie

06.06.2014 | Stand 06.06.2014, 13:40 Uhr

Im Castelo de Soutomaior soll Kolumbus gelebt haben. Belegt ist das nicht, aber dafür ist das Forschungszentrum für Kamelien real. Hier finden sich vor allem die "Rose-coloured"-Arten, pinkfarbene Kamelien. − Fotos: Ariane P. Freier

"Ding, dong, dong: Willkommen im Paradies, willkommen in Galicien", schnarrt Tom mit singender Stimme ins Mikro, um sofort darauf hinzuweisen, dass der nördlichste Teil der iberischen Halbinsel keinesfalls mit dem polnischen Galicia zu verwechseln sei.

Tom liebt und lebt für sein Land, in dem Spanisch und die Minnesängersprache Galicisch gleichermaßen daheim sind und das für Fisch, Meeresfrüchte, Granit, Thermalquellen, das Nationalinstrument Dudelsack, die Melancholie seiner Menschen und deren Sparsamkeit bekannt ist. Wohl, weil sich nach den Römern zeitweise die Schwaben hier ansiedelten. "Deshalb reden wir auch ständig in Verkleinerungsformen mit -inon und -ina", erklärt Tom. "Und das finden die Spanier sehr, sehr süß. Ding, dong, dong."

Ja, es ist schon süß: Selbst den galicischen Regen verkauft der Reiseführer als Perlen und Brillanten, die vom Himmel fallen, um den Teint zu erfrischen. Und dass Galicien die fünftärmste Region des Landes ist, relativiert Tom mit schelmischem Lächeln: "Es gibt auch nirgendwo so viel Schwarzgeld."

Und Blüten – denn das milde Klima sorgt das ganze Jahr über für eine üppige Blumenpracht und bemoost Bäume und Steine. Hier gedeiht auch die Kamelie in ihrer Pracht, der unter anderem Alexandre Dumas in seiner "Kameliendame" und Verdi in "La Traviata" literarisch-musikalische Denkmäler gesetzt haben. Das ostasiatische Teebaumgewächs, von dem es nur vier Arten, aber mehr als 200 Variationen geben soll, hat sogar einer Route den Namen gegeben. Und die beginnt in der Hafenstadt Vigo mit ihren Jugendstil- und Eklektizismusgebäuden.

"Ding, dong, dong", unterbricht Tom schnarrend seinen Exkurs zu den Kamelien, um auf die L-förmigen Rias Baixas vor der Küste zu verweisen, schmale, tief ins Land reichende Meeresbuchten, die durch Inseln mit weißem Sandstrand vor den Wogen des Atlantiks geschützt werden. Ein Geheimtipp für Einheimische. Diese Unteren Rias wie in Vigo sind Schwerpunkte der Muschelkultivierung auf rund 3300 charakteristischen Holzflößen.

Die Rías Altas ("Obere Rías") hingegen, ganz im Norden Galiciens, sind fjordartige Meeresbuchten mit felsigen Steilküsten, zwischen denen sich zahlreiche kleine Strandbuchten finden – so wie in La Coruña. U-förmig, wie Tom erklärt. Und unter Naturschutz stehend – aber das ist nahezu die ganze Küste Galiciens.

Doch zurück zur Kamelienroute. Sie führt nicht nur zu den schönsten Landpalästen inmitten ganzer Kamelienwälder, sondern bis ans Ende der Welt. Jedenfalls das, was Pilger dafür halten. Denn von Santiago de Compostela am Ende der Kamelien-Route aus sind es nur 90 Kilometer bis zum Kap Finisterre am Atlantik. Nicht von ungefähr sind die dort kultivierten Jakobsmuscheln das Symbol des gleichnamigen Pilgerwegs. Jakobspilger ohne Muscheln? Das geht gar nicht.

Natürlich kennt Tom auch alle Geschichten rund ums Pilgern, um Santiago de Compostela, die dichtende Nationalheldin der Stadt, die romantische Rosalia Castro, und um die schöne, charismatische Evita Peron, Argentiniens First Lady, die im Alameda-Park von Santiago sogar einen Baum pflanzte. Zuvor hatte sie im Auftrag von Juan Perón Spaniens Diktator Francisco Franco Schiffe voller Getreide mitgebracht. Franco stammte aus El Ferroll, wie Galicien in der Landessprache heißt.

Doch es geht Tom ja nicht ums Pilgern, sondern um die Kamelien. "Ding, dong, dong", schnarrt er wieder ins Mikro, als er vor dem Pazo Quiñones de León hält. Der Herrensitz im Stil der Spätrenaissance besticht durch seinen französischen Garten − und den Methusalem. Der herrliche, riesige Kamelienbaum, der von Drahtseilen gestützt werden muss, kam bereits 1860 aus Portugal. "Das ist die älteste nachgewiesene Camellia japonica in Spanien", sagt Tom.

Sechs Formen von Kamelien gebe es und unzählige Farbnuancen – von Weiß über Rosé, Rot, Meliert bis zu Gelb. Einfach, doppelt, gefüllt, doppelt gefüllt, in Anemonen-Form, mit kleinen oder großen Blütenblättern. Selbst Experten seien zuweilen mit der Identifizierung überfordert, verrät Tom. Und am Duft ließen sich überhaupt nur zwei Arten von Kamelien erkennen. Alle anderen seien duftneutral. Ganz im Gegensatz zu Tom selbst, dessen betörendes Wässerchen von Loewe es nur in Spanien zu kaufen geben soll.

Entdeckungen auf Kolumbus’ SpurenKatalogisiert sind all diese Arten der Kamelien übrigens im Castelo de Soutomaior. Neben dem dort integrierten Forschungszentrum können Kamelienliebhaber im Burg-Ambiente heiraten, um anschließend auf Entdeckungsreise zu gehen wie einst Kolumbus, der angeblich hier gelebt haben soll. Oder zumindest sein Sohn, wie Tom sagt. "Allerdings ungeprüft." Im Gegensatz dazu, dass Kolumbus’ Schiff im nahe gelegenen Pontevedra gebaut worden ist, wo auch der heutige Präsident herstamme. Das wiederum sei nachweisbar. "Ding, dong, dong."

Lebendig werden vergangene Welten im Herrensitz Rubiáns in Vilagarcia de Arousa. Erst heuer ist das Gelände rund um die ehemalige Festung aus dem 15. Jahrhundert, die ihre heutige Herrenhausgestalt und den Kameliengarten dem Geschmack des 17. und 18. Jahrhunderts verdankt, zum Excellence-Garten gekrönt worden. "Hier lebt die einzige adlige Familie mit immer noch sehr engen Kontakten zur spanischen Königsfamilie, die Haus, Garten, Kapelle und Weinkeller der Öffentlichkeit präsentiert", sagt Tom. Neben einem über 300 Jahre alten Magnolienbaum ziert die Steinkapelle der Familie der einzige Hauptaltar Spaniens, auf dem die Hochzeit von Josef und Maria dargestellt ist. Und im Garten ist ein steinerner Kornspeicher auf Stelzen zu bestaunen. Schließlich hat der Pazo de Rubiáns wie nahezu alle Herrenhäuser eine Hauskamelie als Symbol: "Eugenia de Montijo", eine mittelalterliche Sorte aus Granada.

Ob der wildromantische Garten des Paco de Oca, der mit seinem Teich, einem Buchsbaum-Labyrinth und verwitterten Steinen an England oder Schottland erinnert, oder der australisch anmutende Park des Pazo des Santa Cruz de Ribadulla mit der wohl romantischsten aller Olivenbaum-Alleen – was wohl wäre Galicien ohne seine Kamelien überall? Oh ja, sie sind Perlen wie die Regentropfen, die beim Abschied von der Hafenstadt La Coruña unseren Teint erfrischen. Blühende Symbole einer (neuen) Freundschaft – aber auch der Trauer wie in der großen Romanvorlage. Denn Abschied zu nehmen, tut weh. "Ding, dong, dong."

INFOAnreisen: Flug von München mit Iberia nach Vigo.

Übernachten: modern-komfortabel: NH Palacio de Vigo oder NH Atlantico in La Coruna, www.nh-hotels.com; verträumt-charmant: Hotel Virxe da Cerca in Santiago de Compostela, www.pousadasdecompostela.com.

Tipps: In Galicien lässt sich wunderbar ein Landurlaub mit Mietwagen kombinieren – das nennt sich Turismo rural. 2021 wird das nächste Heilige Jahr gefeiert. Das bedeutet, dass die Heilige Pforte in der Kathedrale von Santiago de Compostela geöffnet wird, um die vollkommene Absolution zu erteilen/erlangen. Wer das "Böse" fernhalten möchte, braucht eine kleine schwarze Onyx-Faust aus Santiago de Compostela. Sie wirkt aber nur, wenn man sie geschenkt bekommt.

Auskunft: www.spain.info, Kamelienroute: www.turgalicia.es/portada-da-ruta-da-camelia.

Ariane P. Freier ist Redakteurin der Passauer Neuen Presse. Sie reiste auf Einladung des Spanischen Fremdenverkehrsamts Turespaña München.