Schwäbische Tradition als Erfolgsrezept

14.03.2014 | Stand 14.03.2014, 16:15 Uhr

"Nur ’s Beschde isch guad gnua", findet Bäckermeister Heiner Beck. In seinem Betrieb "Becka Beck" wird Schwäbisch gesprochen und gebacken – mit Rezepten aus der Zeit seiner Großeltern. Für Breze(l)n benutzt er als Fettzugabe wie früher Schweineschmalz. − Foto: C. Eberle

1991 übernahm Bäckermeister Heiner Beck den elterlichen Betrieb in Bad Urach, etwa auf halber Strecke zwischen Ulm und Stuttgart. Seitdem macht er alles ein bisschen anders als die Mitbewerber – und fährt gerade in einer Zeit, in der Lebensmittelskandale fast auf der Tagesordnung stehen, sehr erfolgreich damit.

Dass der 50-Jährige sehr mit seiner Heimatregion verbunden ist, merkt man schon am Firmennamen. Kurz nach der Übernahme übersetzte er diesen einfach in den örtlichen Dialekt: "‚Mir ganget zum Becka Beck‘ haben die Leute ohnehin schon immer gesagt. Und wir sind stolz, Schwaben zu sein, das darf man ruhig sehen und hören", erzählt der Bäckermeister, dessen Sortiment ebenfalls typisch regional benannt ist. "Statt Semmeln heißt es bei uns Weckle", sagt er.

Dinkelprodukte für AllergiegeplagteQuasi aus einer Notsituation heraus entstand eine weitere Neuerung: Von den vermehrten Allergie-Fällen in den 1990er Jahren war auch die Tochter einer Bekannten von Heiner Beck betroffen. "Das Mädchen bekam Neurodermitis, wenn es normale Weißmehlprodukte aß", sagt er. Daraufhin fing der Bäckermeister damit an, auch mit Dinkelmehl zu backen – denn dieses vertrug das Kind. Auch in seinem Geschäft bot Beck die Dinkelprodukte an und war damit zu dieser Zeit ein echter "Exot".

Zwar wurde der Dinkel vermutlich schon in der Jungsteinzeit auf der Schwäbischen Alb angebaut. Der enge Verwandte des Weizens ist eigentlich auch das "edlere" Getreide und Experten zufolge gehaltvoller, geschmackvoller und für den menschlichen Körper besser verträglich. Nachteile des Dinkels sind jedoch der niedrigere Ertrag und die kompliziertere Verarbeitung. "Die schwäbische Hausfrau kennt das: Wenn sie mittags Spätzle aus Dinkelmehl machen will, muss sie extra bald aufstehen und den Teig schon vor dem Frühstück ansetzen, weil er eine sehr lange Ruhezeit braucht", erklärt Heiner Beck. Im hektischen Arbeitsalltag einer Bäckerei sei das natürlich eine Herausforderung. Zudem bestehe beim Dinkelteig leicht die Gefahr des sogenannten "Überknetens", und die Backfähigkeit ist im Vergleich zu anderen Mehlsorten geringer, was sich auch negativ auf die Haltbarkeit der Produkte auswirkt. Das alles habe laut Beck dafür gesorgt, dass der eigentlich einheimische Dinkel Ende der 1980er Jahre fast von der Schwäbischen Alb verschwunden war. Die gesamte Bäckereibranche habe den hochgezüchteten Industrieweizen bevorzugt.

Dementsprechend schwer war es auch für Beck, das Dinkelmehl zu besorgen. "In einem Jahr war es besonders schlimm. Weil es deutschlandweit fast keinen Dinkel mehr zu kaufen gab, erreichten die Kosten unverschämte Höhen", sagt der 50-Jährige. Um unabhängiger von Preisschwankungen zu sein, hatte der Bäckermeister eine Idee: Er tat sich mit Landwirten aus seinem neuen Betriebsstandort Römerstein zusammen und ließ extra für die eigene Backstube auf 21 Hektar Dinkel anbauen. Durch langfristige Verträge hatte Beck den Bauern faire Preise zugesichert, damit sie sich auf das Abenteuer einlassen.

"Von meinen Konkurrenten wurde ich damals ausgelacht. Schließlich zahle ich fürs Mehl im Schnitt 70 Prozent mehr als sie", erzählt der Bäckermeister. Im Laufe der Jahre brachte Beck weitere uralte Sorten, die optimal an das eher raue Klima angepasst sind, zurück in die Region: Der Schwäbische-Alb-Weizen – im Gegensatz zum Industrieweizen wurden hier die Grannen nicht weggezüchtet − beispielsweise brauche weniger Stickstoffdüngung und sei sehr mineralstoffreich. Oder der besonders milde Lichtkornroggen, der bis zu zwei Meter hoch wird und so für ein eindrucksvolles Landschaftsbild sorgt. Auch andere Zutaten wie Obst oder Kräuter bezieht der Bäckermeister von Bauern aus seinem Heimatort – auch wenn das etwas teurer ist als im Großhandel.

Gebacken wird bei Heiner Beck noch wie zu Zeiten seiner Großeltern. "Natürlich haben wir moderne und energiesparende Geräte. Aber wir legen viel Wert darauf, dass das Backen bei uns noch eine Handwerkskunst ist, viele Rezepte stammen von meinem Opa", sagt der 50-Jährige. So verwendet er für seine Brezen – die in Schwaben "Brezeln" heißen und in der Mitte etwas dünner gerollt sind als in Bayern – als Fett Schweineschmalz.

Mit schwäbischer Tradition hat der "Becka Beck" offenbar auf das richtige Erfolgsrezept gesetzt und war dem Trend um gut 20 Jahre voraus. Mittlerweile sind Begriffe wie Regionalität und Bio in aller Munde, und auch Dinkelprodukte gewinnen immer mehr Fans. Vielen Konkurrenten dürfte ihr anfängliches Lachen über Heiner Beck wie ein Stück altes, trockenes Brot im Halse stecken geblieben sein: Inzwischen ist der "Becka Beck" zu einem stattlichen Unternehmen mit 15 Filialen und Cafés gewachsen. Jeden Tag gehen dem Chef zufolge im Schnitt 4500 Brezen, 20000 Stück Kleingebäck sowie bis zu 4000 Brote über die Ladentheken. Pro Jahr erwirtschaften die 258 Mitarbeiter – davon nur drei für Büro und Verwaltung − einen Umsatz von neun Millionen Euro.

Retro-Café als nächstes ProjektUnd Heiner Beck hat schon die nächste Idee, wie man noch ein Stück mehr auf schwäbische Tradition setzen kann: Unter dem Namen "Berta’s Café" testet er in Blaubeuren, ein paar Kilometer von Ulm entfernt, ein neues Laden-Konzept. Das Geschäft ist komplett im Retro-Stil der 1950er Jahre eingerichtet, das Sortiment umfasst alte schwäbische Brot- und Gebäcksorten und Süßigkeiten, wie man sie aus dem Tante-Emma-Laden kennt. "Eben ein Geschäft wie zur Jugendzeit meiner Oma Berta, nach der dieser Laden auch benannt ist", sagt der "Becka Beck", der damit am nächsten Kapitel seiner Erfolgsgeschichte bäckt.

INFOAnreisen: Um neben Ulm auch die Schwäbische Alb erkunden zu können, am besten mit dem Auto über München und Augsburg. Fahrtzeit von Passau aus rund drei Stunden; alternativ mit der Bahn via München.

Übernachten: Das Maritim Hotel Ulm liegt direkt an der Donau unweit des Hauptbahnhofs und der Messe. Nach einem kurzen Spaziergang entlang der Donau gelangt man zur romantischen Altstadt mit dem berühmten Ulmer Münster. Das evangelische Gotteshaus hat den höchsten Kirchturm der Welt (161,5 Meter). Preise ab 80 Euro fürs Einzelzimmer und 90 Euro fürs Doppelzimmer pro Nacht, www.maritim.de.

Christoph Eberle, Redakteur der Passauer Zeitung "Am Sonntag", reiste auf Einladung von Maritim.