Porträt zum 70. Geburtstag
Der kerngesunde Humor des Fredl Fesl

17.09.2017 | Stand 21.09.2023, 4:25 Uhr

Die Augen, die Züge, die warme Stimme, all das ist immer noch unverkennbar Fredl Fesl. Hinter seinem Hof in der Gemeinde Pleiskirchen wachsen mehrere uralte, mächtige Weiden, ein verwitterter Anhänger dient hier als Sitzplatz. Seinen 70. Geburtstag feiert der Liedermacher in einem Biergarten in Altdorf bei Landshut im Freundeskreis. − Foto: Raimund Meisenberger

Fredl, kommst du? – Ehefrau Monika hat Kuchen gebacken, Kaffee gekocht, dazu noch Eis und Quittenschnaps auf den Tisch gestellt. Fredl Fesl arbeitet draußen, beim Massage-Whirlpool hinten im Anbau ist was undicht. "Der Fredl geht immer an seine Grenzen", sagt seine Gattin. In T-Shirt und kurzer Hose kommt er herein, "Grüß Gott", setzt sich an den Küchentisch. Vor 20 Jahren wurde Parkinson diagnostiziert, seit dem 60. Geburtstag tritt der Liedermacher und Humorist nicht mehr auf, trotzdem stehen vor dem 70. am 7. Juli die Journalisten Schlange.

"Mein Alter läuft ab wie im Zeitraffer""Die ham zum 60. und zum 65. auch schon Gschichten gmacht – und jetzt stirbt er ned, der Hund!", sagt Fredl Fesl mit dieser warmen Stimme, die nach Kindheitserinnerung klingt, nach Anlass-Jodler und nach Gaudi der Sorte "Ein Pferd hat vier Beiner, an jeder Ecken einer, drei Beiner hätt, umfallen tät!" Fesl spricht langsam, doch die Augen funkeln, als stünde er auf der Bühne. Zu diesem Humor ist die Lähmung nicht vorgedrungen. "Wenn mir die Gesichtszüge einfrieren, dann hoffe ich, dass sie mir mit einem leichten Grinsen einfrieren", hat er mal in einem Fernsehporträt gesagt.

Der Mann wirkt auf Anhieb grundsympathisch – kein Wunder, dass ihn Kollegen wie Gerhard Polt und Konstantin Wecker so schätzen und ihn gerne besuchen hier in diesem Einödhofparadies, das Häuslaign heißt. Dass ihn Willy Astor, Martina Schwarzmann und Harry G. als Vorbild verehren. Dass die Band Monaco Bagage eine Fesl-CD eingespielt hat und dass LaBrassBanda-Sänger Stefan Dettl sich Fesl als Ministerpräsident wünscht.

Fredl Fesl ist ein besonderer Mensch in einer besonderen Lebenssituation. Familiär geht es zu am Tisch. Noch a bissl Schnaps aufs Eis? Nein danke. Ein normales Interview wird das nicht. Aber versuchen wir’s.

*Herr Fesl, es wird so viel über Ihre Erkrankung geschrieben, ist das in Ordnung, wenn wir heute über was anderes reden?

Fredl Fesl: Red ma über Gesundheit!

Nur so viel: Wie geht es Ihnen?
Fesl: Ah, ja, den Umständen entsprechend. Mein Alter läuft halt jetzt ab wie im Zeitraffer: Was ich gestern noch gekonnt hab, kann ich heute nimmer. Und das brauche ich auch gar nicht probieren oder trainieren, ich werd einfach immer steifer. Ich nehm am Tag 13 Tabletten und muss schauen, dass die Batterie von meinem Hirnstimulator immer aufgeladen ist. Das geht dann über Funk. Ich komm mir vor wie ferngesteuert.

*Das könnte bitter klingen. Es klingt nur gelassen resigniert, die Augen lachen dabei.

*Nennt Sie irgendwer Alfred?
Fesl überlegt. Seine Frau hebt den Finger, als würde sie sich melden in der Schule. "Ich glaub, ich bin die Einzige." 1985, als die zwei sich kennenlernten, war Fesl gern im (seit 2015 geschlossenen) Alpamare in Bad Tölz. Die Leute haben geschaut und geredet: "Hast gsehn? Der Fesl is wieder da!" Damit sie nicht noch mehr reden, hat Monika den Fredl vorsichtshalber Alfred gerufen. "Das ist geblieben. Wenn ich’s ernst mein, sag ich: Alfred! Die Tabletten! – in der Art."

Mit zweitem Vornamen heißt er Raimund, nach einem Onkel mütterlicherseits, nur "Raimund sagt kein Mensch." Geboren wurde Alfred Raimund Fesl am 7. Juli 1947 in Grafenau. Als er neun war, zog die Familie ins fränkische Greding, wo Fredl bei Oma und Opa mütterlicherseits oft die Ferien verbracht hatte und wo die Eltern jetzt ein Wirtshaus betrieben; später ging es nach München.

*Haben Sie noch Erinnerungen an Niederbayern?
Fesl: Wir ham in der ehemaligen Jugendherberge eine Wohnung in den Mansarden ghabt. Da bin ich immer beim Schlafzimmerfenster raus, rauf übern Kamin, auf der anderen Seite wieder runter und beim Küchenfenster wieder rein.

Und Erinnerungen an die Schulzeit in Grafenau?
Fesl: Naa, nix. Überall gleich langweilig.

Ihr Vater war Leiter der Stadtkapellen Grafenau und Greding. Er wollte gern, dass Sie da mitmarschieren. Hat er Ihnen verziehen, dass nix draus geworden ist?
Fesl: Er war schon stolz auf mich. Und zwar hat sich des so geäußert, dass ihm beim Zahlen im Wirtshaus oft zufällig eine Autogrammkartn von mir rausgrutscht is. Und zwei, drei Mal war er auch bei mir im Konzert.

Wenn Sie wer nach der Bedeutung von Heimat fragt, antworten Sie gern: Wenn eine Katz’ im Backofen Junge kriegt, sind es noch lang keine Semmeln.
Fesl: Ja, dahoam is dahoam – das geht mir schon a bissl auf die Nerven. Ich bin da daheim, wo ich als Mensch anerkannt bin und wo ich mich wohlfühl. Das kann weiß Gott wo sein, und das nenn ich auch ned Heimat.

*Später lernte Fredl Fesl Kunstschmied, war beim Bund, arbeitete als Bühnenbauer, als Bierfahrer, als Artist beim Zirkus Atlas. Um sich in der Münchner Musikkneipe "Song Parnass" den Eintritt zu sparen, hatte er grundsätzlich den Gitarrenkoffer dabei. Bis eines Tages zwei Musiker ausfielen und der Veranstalter den Fredl mit sanftem Druck auf die Bühne schob. Weil er nur ein paar wenige Lieder ("Morgenrot, Morgenrot, wenn du stirbst, dann bist du tot") nachspielen konnte, mussten die Einleitungen eben ausufernd lang sein – Fredl Fesls Markenzeichen war geboren. Heute macht das jeder zweite Liedermacher.

Weit über eine Million Kassetten, Platten und CDs hat Fesl verkauft, allein in Deutschland. Manches wie "Freibier", "F und E" und der "Riesenneger Nieselregen" gibt es nur auf Youtube. 2015 hat er eine Biografie in Anekdoten geschrieben, "Ohne Gaudi is ois nix", heißt sie. Fesl nimmt das Buch und blättert und erzählt: "In der Schweiz war ich mal Weltmeister im Alphornweitwerfen. Aber hinterher ham s’ mich disqualifiziert, weil ich’s die Steilwand runtergschmissen hab." Blättert weiter und erzählt: "Bei meiner letzten Veranstaltung im Bierzelt in Au in der Holledau (einen Tag vor dem 60. Geburtstag) hat der Bürgermeister gefragt, ob ich vielleicht in die Politik geh. Und ich hab gsagt: Naa, i hab ned genug kriminelle Energie."

"Fürchten tu ich mich überhaupt nicht"Anderthalb Stunden später. Die Augen lachen immer noch, das Reden wird mühsam, bald ist Zeit für die nächsten Tabletten. Zeit für den Gast, aufzubrechen. Eine letzte Frage noch.

*Sie haben mal gesagt: "Sterben kann ned so schlimm sein, sonst täten’s ned so viele machen." Ist es dabei geblieben?
Fesl: Ja. Ich glaub nicht, dass einer ein anderes Rezept hat. Es kann sich einer schon fürchten vor dem Tod, aber ich glaub, da klopft er einen vorher schon entsprechend weich. Dass man gern geht. Fürchten tu ich mich überhaupt nicht.

Am 16. September um 19 Uhr veranstaltet der Fotograf und Freund Fredl Fesls Dionys Asenkerschbaumer eine Fesl-Hommage mit Film, Fotos und Lesung im Kurgästehaus Kellberg im Landkreis Passau. Fesl wird anwesend sein. Karten ab 15. Juli bei der Passauer Neuen Presse.

Eine Fotostrecke mit Bildern aus Fredl Fesls Leben finden Sie im digitalen Feuilleton unter
www.pnp.de/kultur