Passau
Video: Syrien-Krieg hat Abdulfatah aus Pocking die Kindheit geraubt

16.04.2017 | Stand 19.09.2023, 21:09 Uhr

Endlich eine Kindheit – Abdulfatah sitzt im Rollstuhl. Heute kann er wieder lachen. − Foto: Jäger

Abdulfatah Khaddajeh ist in Syrien durch die Hölle gegangen. Als er ins Schulalter kam, begann der Bürgerkrieg. Er raubte ihm die Chance auf eine unbeschwerte Kindheit, auf Bildung und am Ende auch die Fähigkeit zu gehen. Seit einem Jahr ist der heute Zwölfjährige in Deutschland. An der Don-Bosco-Schule kann er ein Stück Kindheit nachholen. Die PNP hat ihn einen Tag lang begleitet.

Hinweis für Eilige: Einen kompletten Videobeitrag über Abdulfatah finden Sie am Ende des Artikel

Aufgewachsen ist Abdulfatah in Aleppo. An Schulunterricht war nach Ausbruch des Bürgerkriegs nicht zu denken. Dann, vor knapp zwei Jahren, eskalierte die Situation: "Als ich 10 war kamen die Bomben. Es war sehr schlimm." Eines Tages machte er sich zusammen mit seinem Vater auf dem Weg zur Großmutter, als die Hölle über ihn hereinbrach: "Eine Bombe fiel auf ein Einkaufszentrum. Papa und ich sind schnell eine Treppe hochgelaufen. Ich bin gestürzt und runtergefallen. Da hat mich die Bombe erwischt. Alles wurde dunkel."

Als er aufwachte, fand er sich in einem Krankenhaus wieder. Die Explosion hatte ihm schreckliche Verletzungen an den Beinen zugefügt. Sofort war klar: Abdulfatah kann nicht mehr gehen. "Ich war sehr traurig, habe viel geweint. Mama auch, wegen der Bomben."

Eine angemessene Versorgung des Jungen war in Aleppo unmöglich, also wurde er in ein Krankenhaus in der Türkei gebracht. Vier Monate lang blieb er dort. "Mein Papa war immer bei mir, Mama, Oma und meine Geschwister haben mich besucht." Danach setzte die Familie per Boot nach Europa über. "Es war schlimm. Das Boot war voller Wasser. Ich hatte großen Durst, konnte aber den ganzen Tag nichts trinken."

"Das Leben ist wieder schön"

Mit einem Auto kamen sie nach Deutschland. Heute wohnt die Familie in Pocking und Abdulfatah besuchte zum ersten Mal eine Schule. Er konnte nicht lesen, nicht schreiben, kein Wort Deutsch, dazu kam seine Beeinträchtigung. Die Grundschule Pocking war schlicht überfordert. Also wechselte er zur Don-Bosco-Schule. Hier kann er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich Schüler und Kind sein. "Das Leben ist wieder schön", freut er sich.

Doch der Krieg hat nicht nur körperlich Spuren hinterlassen. Knallende Türen, lauter Krach wenn etwas runterfällt – und schon kommen die Erinnerungen wieder hoch, an den Krieg, an die Bomben. Trotzdem sei er "ein aufgewecktes, fröhliches Kind", so Schulleiter Karl Bischof. Sein Deutsch macht rapide Fortschritte, schnell fand er Freunde. Den Rollstuhl hat er akzeptiert, sein Selbstbewusstsein ist ungebrochen: "Ich fühle mich selbstständig, kann alles selbst", berichtet er stolz.

Neben dem Schulunterricht wird er auch intensiv betreut. "Am besten finde ich die Therapie bei Herrn Hertel", schwärmt Abdulfatah von seinem Physiotherapeuten, der jeden Tag mit ihm Übungen macht: Rollator, Fahrrad, Muskelaufbau. Denn noch besteht Hoffnung, dass seine Beine ihn irgendwann wieder tragen können. "Ich träume davon, wieder gehen zu können."

Ein Schultag mit Abdulfatah Khaddajeh
(Video: Johannes Munzinger/Beryll Kunert)