Passau
Wie ein USB-Stick die halbe Universität Passau verrückt machte

15.02.2017 | Stand 21.09.2023, 1:39 Uhr

Dieses "Beweisfoto" stellte Sara nach der Übergabe des USB-Sticks auf Jodel – natürlich ohne Gesichter. Anonymität spielt in der App eine zentrale Rolle. −Screenshots: PNP

Ein USB-Stick hat in der vergangenen Woche die halbe Uni auf Trab gehalten. Über die App Jodel setzte Studentin Sara (20) einen anonymen "Notruf" ab, bat um Hinweise auf das verlorene Medium, auf dem ein Film für die nahende Beerdigung ihres Vaters gespeichert war. Hunderte User nahmen Anteil, dutzende helfen sogar selbst bei der Suche – und lieferten ein Happy End in letzter Minute.

Am Donnerstagabend kommt Sara nach einer Prüfung nach Hause. Am nächsten Morgen muss sie nach Stuttgart fahren, zur Beerdigung ihres Vaters. Ohnehin eine schwierige Situation. Dafür hat die Studentin ein fünfminütiges Video erstellt, sie will es noch fertig bearbeiten. "Den USB-Stick, auf dem es gespeichert war, konnte ich aber nirgends finden", erzählt sie. Sie durchsucht die Hosentaschen, die Wohnung – ohne Erfolg.

"Diese Anteilnahme hat mich unglaublich gerührt"

Ihre Freundin kommt schließlich auf die Idee, einen Jodel-Beitrag zu verfassen. "Ich bin selbst eigentlich keine aktive Jodlerin", sagt Sara. Sie probieren es. Zunächst schreibt die Freundin, bekommt dafür rund 100 Reaktionen, ein User schreibt, er habe so einen Stick bei den Druckern gesehen. Sara hat am Nachmittag tatsächlich etwas ausgedruckt. Mit ihrer Freundin fährt sie an die Uni. Aber: Fehlanzeige. Ihre Nachfragen, ob etwas abgegeben wurde, ergeben auch nichts. Sara probiert es nochmal auf Jodel, diesmal in Großbuchstaben. Was dann passiert, beeindruckt: Mehrere hundert Mitglieder der Plattform verfolgen den Beitrag, schreiben aufmunternde Kommentare wie "Lass dich nicht unterkriegen" oder "Ich bin mir sicher, dein Papa wäre stolz auf dich". Andere schließen sich zu Suchtrupps zusammen, fahren am späten Abend noch zum Campus, um zu helfen.

Da hat Sara bereits angefangen, das Video neu zu schneiden. Die Freundin verfolgt nebenbei Jodel: "Mein Gott, die sind jetzt alle in der Uni und suchen deinen Stick". "Das wäre gar nicht nötig gewesen, die Leute kennen mich ja gar nicht", sagt Sara. Jodel funktioniert prinzipiell anonym, "diese Anteilnahme hat mich unglaublich gerührt und mir in der Situation auch irgendwie Kraft gegeben".

Bevor sie sich am nächsten Morgen auf den Weg nach Stuttgart macht, legt sie noch einen Halt bei der Uni ein, sie muss noch etwas abgeben. Eher zufällig schaut sie aufs Handy. Es gibt neue Kommentare zu ihrem Jodel-Beitrag, steht da auf dem Display. Einer davon lautet: "Der USB-Stick wurde gefunden". Der Finder warte am Bahnhof auf sie. Die Nachricht ist bereits 40 Minuten alt.

Jodler überraschen Sara am Hauptbahnhof

Als Sara am Bahnhof ankommt, steht dort tatsächlich ein junger Mann mit einem Pappschild "USB-Stick gefunden." Und nicht nur das: An den Gleisen wartet eine weitere junge Frau. In der Annahme, dass Sara den Zug nach Stuttgart nimmt, hat sie den Schaffner bereits über die Situation informiert und ihn gebeten, mit der Abfahrt zu warten. Das ist dann aber gar nicht nötig, Sara und die Finder treffen sich rechtzeitig.

Alle Beteiligten wollen anonym bleiben. Das ist schließlich der Sinn von Jodel. Eigentlich wollte auch Sara gar nicht in die Zeitung, eines will sie dann aber doch loswerden: "Allen, die sich so viel Mühe gemacht haben: Ein riesiges Danke! Ich kann immer noch nicht glauben, wie viele Menschen sich reingehängt haben, einer völlig Fremden zu helfen."