Kirchberg im Wald
Wenn der Gemeindekämmerer zum Strafrichter wird

06.03.2018 | Stand 19.09.2023, 23:25 Uhr

Auch wenn Verwaltungsfachwirt Thomas Gigl den Umgang mit juristischer Literatur gewohnt ist: Als Schöffe am Amtsgericht Viechtach soll er nicht Fachwissen einsetzen, sondern den gesunden Menschenverstand. − Foto: Fuchs

Eigentlich, sagt Thomas Gigl, hätte er damals ja das Verwaltungsgericht im Auge gehabt. Da sei doch ein gelernter Verwaltungsfachwirt als Schöffe ideal besetzt. Doch der Kirchberger landete nach seiner Bewerbung 2014 im Amtsgericht Viechtach. Er hat es nicht bereut, und deshalb hat sich der Kirchberger Gemeindekämmerer auch in diesem Frühjahr wieder für das Ehrenamt als Laienrichter beworben.

"Mich hat damals eine Bekannte auf die Idee gebracht, die war Jugendschöffin", erinnert sich Gigl. Die Tätigkeit reizte ihn. Alle vier Jahre werden die Gemeinden von den Gerichten der Region aufgefordert, jeweils mindestens einen Bewerber zu gewinnen, "und 2014 war diese Suche bei uns sehr mühsam", sagt der heute 42-Jährige. Und so bewarb er sich selbst. "Ich hatte in der Ausbildung viel mit Staatsrecht zu tun, das hat mich auch interessiert", erzählt Thomas Gigl. Aber er erfuhr bald, dass er sich die Sache mit dem Verwaltungsgericht aus dem Kopf schlagen könne. "Man soll da ja gerade nicht vom Fach sein, der Laienrichter soll mit einem anderen Blick an die Sache herangehen."

Welche Bewerber zum Zug kommen, das entscheiden die Gerichte. Gigl jedenfalls gehörte 2014 zu den Auserwählten und wurde zu einer halbtägigen Einführungsveranstaltung in Deggendorf eingeladen. Beim ersten Termin stand dann noch kurz die Vereidigung auf dem Programm, dann saßen Thomas Gigl und eine Kollegin auch schon hinterm Richtertisch zu beiden Seiten der Viechtacher Strafrichterin Andrea Keilhofer. Die erste Verhandlung von knapp 30, an denen er seither mitgewirkt hat.

Erinnert er sich an seinen ersten Fall? "Puh, ist lang her, es war eine Drogen-Geschichte", sagt Gigl. "Da hat jemand Drogen im Stadtpark verkauft." Es sollte nicht das letzte Rauschgift-Verfahren in Gigls Schöffen-Laufbahn bleiben. Was ihn sofort erstaunte: "Wie leicht man als Dealer an das Zeug rankommt." Und er weiß heute noch, dass er gleich am ersten Tag die beträchtliche Verantwortung spürte. "Man trifft eine Entscheidung, und für die muss man geradestehen – und ich habe als Laienrichter das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichterin."

Der Schöffe muss sich nicht in seiner Freizeit zum Juristen weiterbilden. Er soll sich auch nicht auf die Verhandlung vorbereiten – die drei Richter sollen sich ihr Bild in der öffentlichen Verhandlung machen. Dort bleibt dafür aber kein Detail unbeachtet, keine Frage unbeantwortet. Dafür nimmt sich das Gericht die Zeit. "Wir haben auch schon mal abends so lange verhandelt, dass das Gerichtsgebäude schon zugesperrt war", erinnert sich Thomas Gigl. Die Verhandlung verfolgt jeder Schöffe für sich.

Erst in der Beratung tauschen sich die drei Richter dann aus. Die Laienrichter können jederzeit Fragen stellen, "das kommt aber nicht oft vor", sagt Gigl, "da merkt man schon, wie professionell die Richterin die Verhandlungen leitet." Vor allem ist ein Schöffe gut beraten, seine Emotionen in Zaum zu halten. "Das wär wohl das Schlimmste, was einem passieren könnte", meint Thomas Gigl, "dass man als Schöffe eine Verhandlung zum Abbruch bringt, weil ein Befangenheitsantrag durchkommt."

Wer sich als Fan von Gerichts-Shows oder Anwalts-Serien vom Schöffenamt viele spektakuläre, überraschend konstruierte Fälle erwartet, den muss Thomas Gigl eher enttäuschen. "Strafprozesse an einem Amtsgericht, da wiederholt sich vieles", sagt er. Drogenbesitz, Einbrüche und Volksfest-Schlägereien dominieren. Spannend wird es vor allem dann, wenn Gutachter zu Wort kommen, hat Thomas Gigl festgestellt. Etwa in einem Prozess, in dem es um illegalen Handel mit Anabolika in der Bodybuilder-Szene ging. "Da ging es auch darum, was die Mittel mit dem Körper machen".

In diesen Wochen sammeln die Gericht wieder Bewerbungen für die nächste Amtsperiode, die von 2019 bis 2023 dauert. Thomas Gigl hat sich wieder beworben, er würde das Amt gern weitermachen, sagt er. Allerdings ist die Konkurrenz diesmal härter: Im Rathaus sind neben seiner schon zwei weitere Bewerbungen eingegangen.

− jf