Landau
Der Top-Manager

06.07.2017 | Stand 20.09.2023, 5:15 Uhr
Bettina Huber

Mit seiner alten Schule verbindet Eduard Sailer (61) viele schöne Erinnerungen. − Foto: Birgmann

Dieser Abiturstreich hätte dem bekannten Fernseh-Lausbuben Pepe Nietnagel gefallen. In einer Nacht- und Nebelaktion mauerten die Schüler im Sommer 1975 den Eingang des Gymnasiums zu. Um sicher zu gehen, dass am nächsten Morgen auch wirklich niemand ins Schulgebäude reinkommt, hängten sie noch Ketten um die Griffe der Türen und schweißten sie zu. "Dann haben wir uns am Isardamm auf die Lauer gelegt und gewartet, bis die ersten Lehrer kamen", erzählt Eduard Sailer.

Er muss noch heute schmunzeln über diese Aktion. Stabil war das 1,30 Meter hohe Bauwerk der Abiturienten nicht gerade. "Unser Lehrer, der Herr Ostermaier, hat die Mauer mit dem Fuß eingetreten." Der Mörtel hatte auf die Kürze der Zeit nicht ausreichend abgebunden. Trotzdem ging dieser Abistreich in die Geschichte des Landauer Gymnasiums ein. Selbst Jahre später erzählte Mathelehrer Fritz Ostermaier nachfolgenden Schüler-Generationen davon.

Ein Lausbub war er, der junge Eduard Sailer. Aber auch ein sehr guter Schüler. Mit einem Notenschnitt von 1,0 verlässt er 1975 die Schule, erhält ein Stipendium und finanziert sich damit sein Physik-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 1981 hat er sein Diplom in der Tasche, 1986 folgt die Promotion.

Ein Jahr später fängt Eduard Sailer als Unternehmensberater bei McKinsey an, entwickelt zum Beispiel für den Autobauer Mercedes Konzepte zur Steigerung der Produktivität. Es läuft gut. Eduard Sailer schafft es bei McKinsey bis zum "Senior Engagement Manager".

Die nächste Beförderung steht kurz bevor, als er den Entschluss fasst, nochmal was ganz anderes auszuprobieren. 1992 wechselt er zu Thyssen nach Düsseldorf, wird dort bald Geschäftsführer der Logistik-Sparte, wo er 1500 Mitarbeiter unter sich hat. 1996 wird Sailer Werkleiter des Hausgeräte-Herstellers AEG in Nürnberg (3000 Mitarbeiter). Zwei Jahre später dann ein weiterer Karrieresprung – und ein weiterer Umzug für die inzwischen vierköpfige Familie: Miele holt Eduard Sailer als Manager nach Gütersloh (Nordrhein-Westfalen). Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 3,9 Milliarden Euro beschäftigt 19000 Mitarbeiter. Der gebürtige Eichendorfer verantwortet dort 19 Jahre lang den Bereich Technik. Ende 2016 geht er in den Ruhestand.

Eine Bilderbuchkarriere. Ja, er ist stolz darauf. Das merkt man Eduard Sailer an, wenn er von seinen beruflichen Stationen erzählt. Von Arroganz aber keine Spur. Der 61-Jährige sitzt in einem Landauer Café. Schwarzes Leinen-Sakko, weißes Hemd, schwarze Hose, feine Lederschuhe. Draußen vor der Tür steht ein schwarzer Sportwagen. Ein Mercedes AMG. Um welches Modell es sich genau handelt, will Eduard Sailer nicht verraten. Understatement. Auch über sein Einkommen will er nicht reden. Nur so viel: "Es war immer ausreichend."

Alle zwei bis drei Monate kommt der Wahl-Münchner nach Eichendorf zum Grab seiner Eltern, die bis 1977 eine Landmaschinenwerkstatt betrieben hatten. Ihnen verdankt er viel, sagt er. Sie haben sein Potenzial erkannt und ihm eine gute Schulbildung ermöglicht. Zunächst besuchte Eduard Sailer die Realschule in Landau. Er war in der achten Klasse, als seine Mutter und sein damaliger Lehrer bei einem Elternsprechtag feststellten, dass Eduard das "Zeug" für eine höhere Schule hätte. Otto Prenitzer, der erste Direktor des neu gegründeten Landauer Gymnasiums, gab ihm eine Chance. "Ich durfte eine Sonder-Aufnahmeprüfung schreiben und habe bestanden."

Im laufenden Schuljahr wechselte Eduard Sailer von der achten Klasse Realschule in die siebte Klasse Gymnasium. Einziges Problem: Die Mitschüler hatten zu dem Zeitpunkt schon vier Monate Latein gepaukt, der "Neue" war in dem Fach absolut blank. Otto Prenitzer besorgte dem Buben einen prominenten und kompetenten Nachhilfelehrer: Viktor Karell. Der ehemalige Rektor der Realschule war inzwischen pensioniert und hatte Zeit.

"Ich hatte großes Glück mit meinen Lehrern", sagt der 61-Jährige heute. Herr Prenitzer habe ihn nicht nur beim Schulwechsel unterstützt. "Er war außerdem ein toller Physiklehrer." Das sei ihm auch später im Studium zugute gekommen. Und wenn er als Miele-Manager seine Reden für die Betriebsversammlungen schrieb, dachte er jedes Mal an seinen Deutschlehrer Hans Fischer und daran, wo er wohl ein rhetorisches Element oder eine Steigerung einbauen würde.

Sicher gab es auch Momente, in denen er als Schüler weniger motiviert war. "Wenn ich irgend einnen Schmarrn auswendig lernen sollte, hab ich das nicht immer gemacht." So handelte er sich mal bei einer unangekündigten "Ex" in Erdkunde eine Vier ein. Besinnungsaufsätze lagen ihm auch nicht besonders. Gedicht-Interpretationen gefielen Eduard Sailer weit besser. "Dinge, die intellektuell herausfordernd waren, hab ich gern gemacht. Wahrscheinlich hat mir deshalb auch Latein so viel Spaß gemacht." Und weil man sich in der Klasse immer gegenseitig unterstützte, ließ der Einser-Schüler bei Schulaufgaben seine Freunde oft abschreiben.

Mit einigen seiner Mitschüler steht der 61-Jährige noch heute in Kontakt. Josef Fröschl, Winfried Schnaiter und Peter Berger gehören dazu. Vor zwei Jahren hat der komplette Jahrgang ein Klassentreffen organisiert – 40 Jahre nach dem Abitur. "Die sind alle richtig alt geworden", sagt Eduard Sailer mit einem schelmischen Lächeln. Aber als sie sich an ihren legendären Abi-Streich erinnerten, fühlten sie sich, als wären sie noch einmal 20.