Deggendorf
Missbrauchs-Prozess fortgesetzt: "Großes öffentliches Interesse"

20.12.2017 | Stand 18.09.2023, 2:26 Uhr

Der Medienrummel beim Prozessauftakt am Montag gegen den Ex-Priester in Deggendorf war groß. Der Angeklagte kam mit einer schwarzen Kapuze zum Prozess. − Foto: Roland Binder

Der Prozess gegen einen Ex-Priester wegen sexuellen Missbrauchs wurde am Mittwoch vor dem Landgericht Deggendorf fortgesetzt. Der Antrag einer Opferanwältin, den Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten, lehnte der Richter ab. Er begründete die Entscheidung mit dem großen öffentlichen Interesse am Prozess. Vorsitzender Richter Thomas Trautwein ließ die Anklageschrift gestern in Anwesenheit der Medienvertreter und Zuhörer verlesen.

Laut Anklage soll der 53-Jährige seit Mitte der 1990er Jahre fünf Buben bei insgesamt mindestens 100 Gelegenheiten sexuell missbraucht haben. Außerdem soll er eine 18-Jährige versucht haben, zu vergewaltigen. Eine Vielzahl der Übergriffe wertet die Staatsanwaltschaft als schweren sexuellen Missbrauch.

Der Anwalt des Angeklagten teilte mit, dass sich der Angeklagte dieses Jahr nicht mehr zu der Anklage äußern werde. Es blieb offen, ob er dies im weiteren Verlauf des Prozesses tun werde.

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Der erste Prozesstag war am Montag nach wenigen Minuten beendet worden. Die Anwältin eines der Opfer beantragte den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung der Anklageschrift. Der Vorsitzende Richter unterbrach daraufhin die Verhandlung.

Von 2003 bis 2009 saß der Mann aufgrund eines Urteils des Landgerichtes in Karlsruhe wegen Sexualstraftaten für fünfeinhalb Jahre im Gefängnis. 2008 wurde er nach einem kirchengerichtlichen Urteil in Freiburg aus dem Priesterstand entlassen.

Der 53-Jährige hatte sich das Vertrauen gläubiger Familien erschlichen und war so in Kontakt mit deren Kindern gekommen. Zeitweise lebte er bei den Familien und konnte auch deshalb über Jahre hinweg die Buben in deren Kinderzimmern, in seinem eigenen Zimmer oder im Bad missbrauchen. Die Opfer waren bei den Taten zwischen neun und 14 Jahre alt. Er züchtigte die Kinder zudem mit Ohrfeigen, Strafarbeiten und Schlägen mit dem Gürtel.

Vorwurf: Mindestens 100.000 Euro erschlichen

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zudem Urkundenfälschung, Betrug und Missbrauch von Titeln vor. Er soll sich auf diese Weise insgesamt mindestens 100.000 Euro erschlichen haben, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Nach seiner Entlassung aus dem Priesteramt habe er sich unter einem falschen Namen weiterhin als katholischer Priester ausgegeben, Gottesdienste gehalten und Spenden gesammelt.

Als eine Familie in der Schweiz, bei der er zeitweise lebte, für Kost und Logis Miete verlangte, schrieb der Mann eine Mail mit dem Absender "Gott" und forderte, auf die Miete zu verzichten, schließlich würde die Familie im Himmelreich um ein Vielfaches entlohnt. In einem Fall habe er sich in einer E-Mail gar als Gott ausgegeben, um einen Gastgeber von einer für Kost und Logis geforderten Bezahlung abzubringen. Das Paar war überzeugt, eine Nachricht von Jesus erhalten zu haben, verzichtete auf die Miete und überwies später sogar noch 35.000 Euro auf das Konto des Priesters.

Die angeklagten Taten fanden zwischen 1995 und 2016 statt, vor allem in Mainz und Deggendorf. Aber auch auf Urlaubsreisen und Pilgerfahrten auf die Insel Langeoog, nach Italien und Bosnien-Herzegowina sowie bei Aufenthalten in Österreich und der Schweiz. Der 53-Jährige wurde im September 2016 im Landkreis Deggendorf festgenommen und befindet sich inzwischen in einer psychiatrischen Klinik.

Die Anklage geht bei dem Mann von einer pädophilen Störung aus. Von ihm seien weitere Sexualstraftaten zu erwarten. Deshalb soll über eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie entschieden werden. Der Prozess wird am 9. Januar fortgesetzt.
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− dpa/pnp