Winhöring
Julia Viellehner: Erinnerungen an einen Star, der nie so auftrat

03.06.2017 | Stand 21.09.2023, 4:45 Uhr

Sonniges Gemüt: Julia Viellehner stand als erfolgreiche Sportlerin von internationaler Klasse oft im Mittelpunkt – dabei mochte sie allzu großes Aufsehen um ihre Person gar nicht. − Foto: Ingo Kutsche

Triathletin Juli Viellehner, die Anfang vergangener Woche bei einem tragischen Trainingsunfall ums Leben kam, wird am 9. Juni in Waldkraiburg beerdigt. Unser Sportredakteur Oliver Wagenknecht hat die Karriere der Ausnahmesportlerin begleitet und erinnert in einem Nachruf an den Sport-Star, der immer auf dem Boden geblieben ist.

"Only the good die young" – die Titelzeile des alten Songs von Billy Joel geht mir dieser Tage beim Laufen im Altöttinger Forst oft durch den Kopf. Auch Julia Viellehner hat dort häufig trainiert und sie war gut. Richtig gut sogar! Nun ist sie von uns gegangen, viel zu früh, mit gerade mal 31. Als Sportredakteur des Anzeigers hatte ich die Ehre, ihre tolle Karriere zu begleiten, vom schönen Anfang bis zum bitteren Ende.

Im Herbst 2004 begann ihr Stern am Läuferhimmel zu leuchten. Da wurde Julia in Bremen Deutsche Juniorenmeisterin im Cross. Die zierliche 19-Jährige vom TSV Winhöring, bis dahin ein unbeschriebenes Blatt – plötzlich war sie bundesweit bekannt. Nur wenig später ihr Debüt im Nationalteam, bei der Crosslauf-EM auf Usedom.

Reiselustig und neuigierig

Julia ist durch den Sport viel herumgekommen. Sie war eh sehr reiselustig, neugierig auf fremde Länder. Auch mich hat sie daran teilhaben lassen – als Journalisten, aber bald auch als guten Freund – mit unzähligen E-Mails und Ansichtskarten, die sie mir von ihren Wettkampforten geschickt hat. Wo sie überall war, das lässt sich kaum aufzählen. Vom Trainingslager in Kenia bis zum Ironman auf Hawaii. Gut zehn Stunden brauchte sie da für 3,8 km Schwimmen, 180km Radfahren und einen Marathonlauf von 42,195km. Julia war zu unglaublichen Leistungen fähig.

Hawaii 2013 war eine ihrer sechs Teilnahmen an Weltmeisterschaften. Eine weitere WM machte sie im Crosslauf, gleich vier im Duathlon. Bei dieser Triathlon-Variante (Laufen, Radfahren, Laufen) erzielte Julia ihre international größten Erfolge: 2013 und zuletzt 2015, genau an ihrem 30. Geburtstag, wurde sie Vizeweltmeisterin.

Sie war – typisch Jungfrau – fleißig und akribisch, im Sport wie im normalen Leben. Nach einem sehr guten Abi am Maria-Ward-Gymnasium in Altötting studierte Julia als Lauf-Stipendiatin ein Jahr an der US-Uni in Conway. Später machte sie im Neuöttinger Paulusstift eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, dann per Fernstudium einen Bachelor-Abschluss in Gesundheitsmanagement, mit Praxisteil in einem Mühldorfer Fitnessstudio, wo sie bis zuletzt tätig war. Auch freiberuflich, als Coach für Laufen und Nordic Walking, gab sie ihre Erfahrung und ihr Fachwissen weiter.

Sie wollte kein Aufsehen um ihre Person

Als international erfolgreiche Athletin stand Julia oft im Mittelpunkt – dabei mochte sie Aufsehen um ihre Person gar nicht. Sie war zurückhaltend, fast schüchtern. Über ihre Internet- und Facebook-Seite ließ sie andere an ihrem Leben teilhaben, in der Öffentlichkeit aber war ihr Selbstinszenierung fremd. Sie war ein Star, trat aber nie so auf. Julia war aufgeschlossen, sie kam mit jedem ins Gespräch. Ihre positive Art hatte eine enorme Strahlkraft. Sie verstand es meisterhaft, Menschen aufzumuntern und zu motivieren.

"Arbeiten, um zu leben" war Julias Maxime. Und leben bedeutete für sie vor allem: aktiv sein. Erst seit 2016 startete sie bei Triathlons als Profi, profihaft gelebt hat sie aber immer schon. Frühmorgens Training, dann zur Arbeit, abends eine zweite Einheit. In den ersten Jahren spulte Julia pro Woche bis zu 150 Laufkilometer ab. Sie hat ihren Körper nie geschont. Der Preis dafür waren viele Verletzungen, so 2009 ein Ermüdungsbruch im Fuß, der eine mehr als einjährige Pause nach sich zog. Als Alternativtraining entdeckte sie damals den Radsport, kehrte mit Schwimmen zu ihren Wurzeln zurück und wurde Triathletin.

"Dann mache ich eben Treppensprints mit Krücken"

Von Rückschlägen hat sich Julia nie entmutigen lassen. "Dann mache ich eben Treppensprints mit Krücken", sagte sie mir mal augenzwinkernd. Ein Satz, der ihren grenzenlosen Optimismus ebenso widerspiegelt wie den Hang, bis über die Schmerzgrenze zu gehen. Julia war äußerst ehrgeizig – bisweilen wirkte sie überehrgeizig. Sie tat alles für ihre Wettkämpfe. Doch bei aller Askese vorher war sie danach eine Genießerin: Gerne belohnte sie sich mit einem Eis, mit Keksen oder Schokolade. Auch gefiel ihr die italienische Lebensart, zu einem Cappuccino konnte sie nie Nein sagen.

Als ihr Bruder Raphael, damals 26, und ihr Vater Johann Ende 2014 von einer Bergtour in Neuseeland nicht mehr zurückkehrten, hat sie das tief getroffen. Julia war sensibel, zugleich aber auch pragmatisch, richtete stets den Blick nach vorn. Sie nahm das Leben, wie es kam, und versuchte das Beste draus zu machen. So stand sie ihrer Mama Irmgard, ihrer innigsten Freundin, fest zur Seite. Bei Thomas Stecher aus Waldkraiburg – erst ihr Trainer, dann auch ihr Partner und einer der ganz großen Glücksfälle in ihrem Leben – tankte ihre Seele Kraft.

Tom war bei Julia, als sie am 15. Mai beim Radtraining in den italienischen Apenninen in jenen fatalen Unfall verwickelt wurde, der sie eine Woche später das Leben kostete. In Waldkraiburg wird sie ihre letzte Ruhestätte finden, am 9. Juni ist die Beerdigung. Dass ihr Herz aufgehört hat zu schlagen, dass sie mit ihrem sonnigen Wesen nicht mehr unter uns ist, hat viele Menschen fassungslos gemacht, auch mich persönlich. Letzten Sonntag beim Mettenheimer Alleelauf, dem ersten Lauf hier in der Gegend seit ihrem Tod, hielt man vor dem Start mit einer Gedenkminute für sie inne.

Dein tragisches Schicksal hat uns alle berührt, liebe Julia. Wir werden dich nie vergessen!
Oliver WagenknechtLinktipps:
- Triathletin aus Winhöring nach Kollision mit Lkw im künstlichen Koma
- Julia Viellehner nach ihrem schweren Unfall weiter im Koma
- Nach Lkw-Unfall: Triathletin Julia Viellehner aus Winhöring (31) ist tot
- Es war ihr Wille: Organe von Julia Viellehner werden gespendet