Berlin/München
Bayern: Corona-Maßnahmen langsamer und vorsichtiger beenden

15.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:32 Uhr
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, mit Mundschutz. −Foto: Sven Hoppe/dpa/Archivbild

Bayern ist in Deutschland mit am stärksten vom Coronavirus betroffen. Deshalb drückt Markus Söder beim schrittweisen Exit aus den harten Anti-Corona-Maßnahmen auf die Bremse. Auch bei den Schulen.

Bayern wird bei den Lockerungen der Corona-Beschränkungen nach Angaben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) langsamer vorgehen als andere Länder. Unter anderem soll der normale Schulbetrieb erst ab 11. Mai schrittweise wieder beginnen und damit eine Woche später als von Bund und Ländern grundsätzlich vereinbart. Und: Ladenbesitzer müssen abwarten, welche Zeiträume für Lockerungen und welche Ladengrößen als Obergrenze das bayerische Kabinett an diesem Donnerstag beschließen wird.

Der Freistaat werde einige Beschlüsse von Bund und Ländern - etwa zu Schulen und Handel - „vorsichtiger angehen und etwas zurückhaltender angehen“, sagte Söder am Mittwoch nach Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Wenn man Nuancen anders mache, hänge das von der jeweiligen Situation in den Ländern ab. „Das ist dann mal ne Woche mehr oder ne Woche weniger, oder ein paar Quadratmeter mehr oder weniger“, sagte Söder. Man werde bei den Öffnungen von Geschäften „etwas zeitversetzt“ vorgehen. Letztlich lobte er aber, dass deutschlandweit das gleiche Konzept zugrunde gelegt werde.

Mit der Prüfungsvorbereitung in Abschlussklassen - etwa Abitur oder Mittlerer Reife - soll in Bayern schon ab dem 27. April begonnen werden können. Die nächsten Klassen sollen dann schrittweise aber erst ab dem 11. Mai folgen. Die Schulen bräuchten ohnehin Zeit zur Vorbereitung, sagte Söder.

„Grundschulen und Kitas bleiben dann erst einmal zu - mit entsprechender Notfallbetreuung“, sagte Söder. Ob und wann die vierten Klassen in den Grundschulen wieder starten können, blieb aber zunächst offen.

In einer fast vierstündigen Videoschalte hatten sich Merkel und die Regierungschefs der Länder zuvor auf einen Fahrplan für den Weg aus der Corona-Krise verabredet. Dieser sieht unter anderem vor, dass die Ausgangsbeschränkungen bis mindestens zum 3. Mai verlängert werden. Ursprünglich waren diese bis zum 19. April befristet. Auch die in der Krise eingeführten Kontrollen an deutschen Grenzen sollen für weitere 20 Tage bis zum 4. Mai gelten.

Am Donnerstag will in Bayern das Kabinett die einzelnen Beschlüsse beraten und „prüfen“, wie Söder sagte. Bis dahin müssen sich auch die bayerischen Besitzer und Mitarbeiter von Geschäften mit ihrer Planung gedulden. Denn während in anderen Ländern Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern ab Montag wieder öffnen können - wenn auch unter Auflagen -, sagte Söder, er sei auch hier für einen anderen Zeitplan im Freistaat.

Unklar ist auch, ob die 800 Quadratmeter-Regelung in Bayern greift. Er halte das für „zu viel“, so Söder und kündigte mit Blick auf eine Kabinettssitzung an diesem Donnerstag an: „Wir überprüfen das“. Dem Vernehmen nach war Bayern in die Verhandlung mit einer Obergrenze von 400 Quadratmetern gegangen.

Dem Kompromiss von Bund und Ländern zufolge sollen auch unabhängig von der Verkaufsfläche Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Dagegen sind etwa große Möbelhäuser, Kaufhäuser und Shopping-Mals definitiv weiter unbefristet geschlossen. Söder rechtfertigte dies mit dem ansonsten drohenden Kundenverkehr und Menschen-Ballungen in den Innenstädten.

Söder betonte, es sei ein wichtiger Teil des Kompromisses, dass die Länder im Detail unterschiedliche Zeitpläne definieren könnten: „Wir haben Spielräume entwickelt, weil natürlich Länder unterschiedlich betroffen sind. Der Süden Deutschlands ist stärker betroffen als andere Teile von Deutschland. Insofern haben wir auch Rahmen definiert, die unterschiedlich ausgeschöpft werden können.“

Der bayerische Handel hofft jedoch, nicht von der bundesweit geplanten Öffnung von Läden bis 800 Quadratmeter ab Montag ausgenommen zu werden. Er hoffe, dass dies hier nicht zeitversetzt geschehe, sagte der Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann. Man blicke nun mit Argusaugen auf die Kabinettssitzung am Donnerstag. Für den bayerischen Handel komme es auf jeden Tag an. Ohlmann sagte zudem, er hätte sich gewünscht, dass auch größere Geschäfte öffnen dürften. „Ein Geschäft mit 500 Quadratmetern kann genauso Schutz- und Hygienemaßnahmen einhalten, wie eines mit 3000 Quadratmetern.“ In Bayern sind laut Handelsverband schätzungsweise gut 80 Prozent der Geschäfte kleiner als 800 Quadratmeter.

Unter den deutschen Bundesländern ist Bayern weiterhin am stärksten von der Pandemie betroffen. Bislang wurden 34 664 Menschen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet. Gestorben sind bisher 995 Menschen, die sich mit dem Erreger infiziert hatten. Das teilte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen am Mittwoch (Stand 10.00 Uhr) auf seiner Homepage mit. Die geschätzte Zahl der Genesenen lag bei 16 310 Menschen.

Vorsicht und Besonnenheit seien auch in der jetzigen Phase mit einer abflachenden Infektionskurve von großer Bedeutung, betonte Söder. „Solange es keine Medikamente gibt, solange müssen wir einen Weg, ein Konzept finden, mit Corona zu leben“, sagte er. Hier gelte es so viel Sicherheit wie möglich zu erreichen.

Bayerns Ziel sei es, wieder in eine Lage zu kommen, dass die Infektionsketten nachvollzogen werden könnten. „Das Drama in Italien war ja, das Infektionsketten nicht mehr verfolgbar waren und damit eine völlig unkontrollierte Ausbreitung erfolgte“, sagte Söder. Landesweit seien dafür 4000 Personen in 650 Teams vorgesehen.

Merkel kündigte an, dass die Konferenz nun alle 14 Tage stattfinde, das nächste Treffen sei für den 30. April geplant. Dann solle, so Söder, auch über die Bereiche Kunst, Kultur und Sport diskutiert werden. Zwar hatte sich die Runde an diesem Mittwoch darauf verständigt, Großveranstaltungen wegen der Pandemie bis zum 31. August grundsätzlich zu untersagen. Söder betonte aber auf Nachfrage, dass die Fußball-Bundesliga zunächst keine Rolle gespielt habe.

Übersicht zu Coronavirus-Onfektionen in Bayern

dpa