Ingolstadt
Zweieinhalb Jahre Haft wegen Zwangsprostitution

29-Jähriger muss zudem 10000 Euro Schmerzensgeld an ehemalige Freundin zahlen

19.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:30 Uhr

Ingolstadt - Der Öffentlichkeitsgrundsatz wird im Strafverfahren sehr ernst genommen. Werden Zuhörer unberechtigt ausgeschlossen, stellt dies einen Revisionsgrund dar, einen privilegierten noch dazu. Am Montag war die Öffentlichkeit am Ingolstädter Amtsgericht fast drei Stunden ausgeschlossen: So lange nämlich rangen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung um eine Verständigung. Eine Revision lässt sich damit aber nicht begründen. Schließlich sieht das Strafprozessrecht ausdrücklich vor, dass "Deals" hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden.

Letztlich einigte man sich auf einen Strafrahmen von zwei Jahren und sechs Monaten bis zwei Jahre und zehn Monate. Einer höheren Strafe entging der 29-jährige Angeklagte, weil er sich verpflichtete, an das Opfer, seine ehemalige Freundin, 10000 Euro zu zahlen und sich ihr nicht mehr zu nähern. Vor allem aber, weil er die Anklagevorwürfe einräumte. Und die waren heftig: Mit Drohungen und Schlägen soll er die 24-Jährige zur Prostitution gezwungen, von ihr 2000 Euro erpresst, ihr gedroht, sie beleidigt und genötigt haben. Als er ihr im Juni vergangenen Jahres dann das Nasenbein brach, ging sie zur Polizei.

Selbst aus der Untersuchungshaft heraus hat der Rumäne sie der Anklage zufolge weiter unter Druck gesetzt. Sollte sie ihren Strafantrag nicht zurückziehen, werde er sie töten, hatte er ihr gedroht. Und zwar nicht irgendwie: Quälen werde er sie, indem er ihr Finger und Ohren abschneide. Manuel Lüdtke, einer seiner beiden Verteidiger, versuchte zu beschwichtigen: Seine Mandanten seien zu 95 Prozent Rumänen. "In bestimmten Bevölkerungsschichten" seien dies "alltägliche Drohungen", sagte er und fügte hinzu: "Die nimmt keiner ernst."

Das Gericht sah das anders und verurteilte den zum Tatzeitpunkt arbeitslosen und mehrfach vorbestraften Vater zweier Kinder, dessen Ehefrau den Prozess als Zuhörerin verfolgte, wegen Zwangsprostitution, mehrfacher Körperverletzung, räuberischer Erpressung und weiterer Delikte zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und blieb damit am unteren Rand des Strafrahmens.

Dies sei das "Unterste dessen, was zu vertreten ist", sagte der Vorsitzende Richter Stephan Gericke bei der Urteilsbegründung. Ohne Geständnis, das dem Opfer die Aussage ersparte, wäre die Strafe "deutlich über drei Jahren" gelegen. Besonders die "erhebliche kriminelle Energie" und die "niedrige Hemmschwelle" des Angeklagten hob Gericke hervor. Staatsanwältin Ida Roth hatte in ihrem Plädoyer gar davon gesprochen, dass das Opfer nicht nur geschlagen, sondern "gedemütigt und erniedrigt" worden sei. So habe der 29-Jährige der jungen Frau gegen ihren Willen die Haare abrasiert und auf sie uriniert. Schon in der Anklage stand: Als sich die 24-Jährige nicht mehr prostituieren wollte, habe der Angeklagte gefragt, "ob er sie totschlagen solle", und ihr klar gemacht, dass "er entscheide, wann sie aufhöre anzuschaffen".

Das Motiv für die Zwangsprostitution lag für das Gericht auf der Hand, nachdem der Angeklagte von 30000 Euro Schulden berichtet hatte: "Man braucht Geld. Man will selber nicht arbeiten. Dann schickt man die Freundin auf den Strich", so Gericke. Auch wenn das Urteil Ergebnis einer Vereinbarung war, ist es mit Rechtsmitteln angreifbar und deshalb nicht vor Ablauf einer Woche rechtskräftig.

DK

Andreas Müller